Warum sich etwas ändern musste


Neulich war ich am Aufräumen und Ausmisten. Dabei fiel mir eine länger nicht verwendete Handtasche in die Hände, die sich bemerkenswert schwer anfühlte. Ich habe dutzende Handtaschen, und ich wechsle sie relativ häufig, je nach Outfit, manchmal bleiben daher einige Relikte in alten Taschen erhalten. Meist Kugelschreiber, Notizheftchen und Taschentücher. Manchmal Taschenmesser, Taschenlampe und ein angelesenes Buch (das wohl weniger spannend als erhofft ausfiel).

Aber als ich diese Tasche kopfüber drehte und den Inhalt auf den Tisch purzeln ließ, da setzte einen Augenblick meine Atmung aus. Denn was aus dieser Tasche fiel, war wie eine Momentaufnahme eines vergangenen Zeitabschnitts. In so konzentrierter Form wie mit diesem Tascheninhalt, kann man mein Leben bis in den September hinein gar nicht beschreiben.

Dieses Jahr war beruflich sicherlich mein schwerstes. Finanziell habe ich mich stetig und rasant verbessert. Aber was blieb dabei auf der Strecke? Und welche Bedingungen haben mich in den Zustand versetzt, in dem ich mich befinde?

Im Frühjahr erhielt ich die Nachricht, dass meine Chefin für drei Monate ausfallen wird. Diagnose Burn-Out. Damals überraschte mich die Tatsache weniger als der Zeitpunkt. Ich hätte früher mit dem totalen Zusammenbruch gerechnet. Wir alle sind schlicht und einfach total überlastet. Meine Kolleginnen und ich, wir machen seit Januar nur unbezahlte Überstunden. Ich arbeite im Grunde drei Stellen auf. Keine kann ich richtig und vollständig besetzen. Ich habe bis jetzt noch 45 Urlaubstage, die ich im Grunde nicht nehmen kann.

In diesem Arbeitsklima entwickelten sich unschöne soziale Gefüge. Eine Kollegin kompensierte die Überforderung mit Mobbing zweier Kolleginnen, darunter meine Chefin, die seit Juni wieder arbeitet.

Infolge dessen gab es nutzlose Teamgespräche und völlig unfähige Vorgesetzte, die von der Situation schlicht überfordert waren und sind.

Irgendwann hörten meine Kopfschmerzen einfach nicht mehr auf, und mein Magen krampfte. Ich schlief kaum und wenn, dann träumte ich nur von der Arbeit.

Die Folgen dieser Zustände, das ist der Inhalt dieser Handtasche.

Kurz vor meinem Urlaub, Ende September, da warnte mich mein Arzt. Wenn ich so weiter mache, werde ich nicht alt. Sicherlich hat er übertrieben, aber er hat mir wahrhaftig die Augen geöffnet, mit einer schlichten, simplen Frage: Wollen Sie viel Geld verdienen oder wollen Sie gesund sein? Ihre Entscheidung.

Direkt danach fuhr ich in den Urlaub. Und ich hatte Gelegenheit, nachzudenken. Wie soll es weiter gehen? Was will ich? Was brauche ich? Und ich habe mich enschieden.

Mit einem simplen Gedankenexperiment wurde mir klar, was mein eigentliches Problem ist und, wichtiger, wie ich es ändern kann. Daran arbeite ich nun.

Und ich wünsche mir, dass ich dieses Bild nie vergesse.

 

 

 

Schlechte Erfahrungen


Es gibt ja diese Arbeitnehmermentalität, sich krank in die Arbeit zu schleppen oder Überstunden zu machen. Sich loyal zu zeigen, sich für das Firmenwohl aufzuopfern und eigene Belange zurückzustecken.

Menschen, die sich so verhalten, beäugen die, die zweimal im Jahr krank sind, misstrauisch oder lästern, wenn der Kollege pünktlich das Büro verlässt.

Es gibt diese Mentalität wirklich. Ich selbst hatte sie in allen Auswüchsen seit Beginn meiner Tätigkeiten gegen Entgelt im Alter von 16 Jahren bis vor ca. vier Jahren. Ich habe mich mit Fieber an den Schreibtisch gesetzt, war immer da, wenn jemand anderes ausfiel, habe Überstunden gemacht, teilweise sogar sehr exzessiv. Und nicht etwa, weil es meinen Arbeitgebern schlecht ging. Im Gegenteil!

Dann ging mir ein Licht auf. Ich hatte nicht einen Arbeitgeber, der meinen Einsatz honoriert hat! Und allein die Gnade, bei meinem Arbeitgeber arbeiten zu dürfen und seinen Reichtum zu mehren, sehe ich nicht als Auszeichnung für meine gelebte Loyalität an.

Und mittlerweile weiß ich: Es ist nichts bewundernswertes, sich so aufopfernd zu verhalten. Es ist einfach nur dämlich.

Das ist das traurige Fazit aus 20 Jahren Arbeit.

Gerichte stoppen Ausbeutung von Arbeitgebern


Der Fall der dreisten Kassiererin Barbara E. empört die Republik. Frau E. hat durch die Unterschlagung von Pfandbons in nicht unerheblicher Höhe das 30-jährige Vertrauensverhältnis zu ihrem Arbeitgeber so nachhaltig zerstört, daß eine Abmahnung völlig unzureichend gewesen wäre. Für ihren Arbeitgeber ist es schlicht unzumutbar geworden, sie aufgrund dieser unglaublichen Verfehlung weiterhin zu beschäftigen.

Dieser Mißbrauchsfall lässt alte Wunden aufbrechen. Geschädigte Arbeitgeber werden schonungslos an ausbeuterische Beschäftigte erinnert, die beispielsweise Firmeneigentum in böswilliger Absicht zerstört haben (man erinnere sich an den Fall einer Küchenmitarbeiterin, die Weintrauben gegessen hat, die für den betriebseigenen Abfall bestimmt waren) oder gar in großem Rahmen Arbeitszeitbetrug begingen (45 Minuten).

Die jüngsten Ereignisse lassen die Personenüberwachung bei Lidl und die Datenerhebung der Deutschen Bahn in völlig neuem Licht erscheinen. Massenentlassungen wegen gestohlener und unterschlagener Kugelschreiber sind zu erwarten.

Zurecht mit Unverständnis reagierten Gerichte dagegen auf vermeintliche Zerüttung des Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und -nehmer etwa durch unbezahlte Überstunden (dies ist selbstverständlich kein Arbeitszeitbetrug) oder gar durch Arbeitsplatzgefährdung aufgrund Mißmanagements und Spekulierfreude. Auch die bereits erwähnte Überwachung und Datenerhebung sei keinesfalls geeignet, das Vertrauen in den Arbeitgeber zu erschüttern, da häufig nicht einmal der Arbeitnehmer, sondern sein soziales Umfeld wie der Ehegatte oder Tabakhändler betroffen sei.

Die Richter bewiesen im Fall Barbara E., daß selbst in einem langjährigen, loyalen Mitarbeiter im Kern das Urböse steckt, das jederzeit ausbrechen kann. Befristete Verträge, Praktikanten und Hartz-IV-Empfänger, die sich ein Zubrot verdienen können und damit dem Staat durch Unterstützung der Tabak- und Spirituosenindustrie die nötigen Gelder zukommen lassen, um marode Unternehmen und Banken zu retten, minimieren das Risiko langfristiger Ausbeutung des Arbeitgebers durch den Arbeitnehmer und sind daher zu begrüßen.

Frau E. wird ihre unglaubliche Verfehlung sicherlich bald ganz richtig als solche einschätzen, wenn sie als zukünftige Hartz-IV-Empfängerin erfahren muß, daß sie ihren Arbeitgeber um einen kompletten Stundenlohn im Niedrieglohnsektor bzw. um eine komplette Sekunde im Managerlohnbereich betrogen hat.

Das wird ihr und vielen potentiellen Arbeitnehmern, die es nicht wertzuschätzen wissen, ihre Arbeitskraft in einem Unternehmen einbringen zu dürfen, hoffentlich eine Lehre sein.