Und wieder einer, der einen Beitrag zu etwas leisten muss, von dem er vermutlich nichts versteht. Thomas de Maizier möchte, das erzählte er jedenfalls der Rheinischen Post, nun auch Verkehrsregeln für das Internet, sonst drohen der menschlichen Zivilisation gar grausliche Greulichkeiten!
„Verkehrsregeln“ ist dabei eine euphemistische Umschreibung für Regulierung. Das verstehe ich jedenfalls so, denn De Maizier bemüht einen Vergleich mit den Finanzmärkten. Dürfen wir also bald mehr Verkehrszeichen im Netz erwarten als das geplante Stoppschild vor kinderpornographischen Inhalten? Braucht es nicht auch Stoppschilder vor Communities wie StudiVZ, vor Foren und Blogs, also vor den Heimstätten der Beleidigung und Verleumdung?
Und gibt es im Gegenzug bald in Banken ein aufploppendes Stoppschild, wenn einem der Finanzberater das Blaue vom Himmel runterlügt?
Das schreckliche Internet, die unwägbare Gefahr, der rechtsfreie Raum. Zu unserem ureigensten Schutz müssen laut De Maizier endlich Kontrollmechanismen greifen, damit wir nicht „Scheußlichkeiten erleben, die jede Vorstellungskraft sprengen“.
Jeder intensive Netzbenutzer weiß natürlich, wie herrlich es sich in der Welt ohne Recht und Gesetz leben lässt. Nach Herzenslust kann man einkaufen ohne zu bezahlen. Einen Vertrag, den man im Netz abschließt, muss man natürlich niemals einhalten. Beleidigen darf man jeden und alles, Bilder kann man sich von überall her klauen, selbst ganze Texte kann man übernehmen und als seine eigenen ausgeben. Selbstverständlich ungestraft!
Jedenfalls scheinen das manche Menschen zu glauben.
Woher kommt der Mythos vom rechtsfreien Raum?
Ich weiß es nicht, aber ich vermute, er liegt begründet in der Angst vor einer unbekannten, schnell wachsenden Macht. Auch dem Buchdruck stand nicht jeder aufgeschlossen gegenüber, jedenfalls die nicht, die dadurch Aufklärung zu befürchten hatten und eigene Machtpfründe gefährdet sahen. Die Stoppschilder der Vergangenheit waren brennende Bücherhaufen und Indizes.
Gestärkt wird der Mythos zusätzlich durch zwei hochgepushte Themenkreise: Mobbing in sozialen Netzwerken und Kinderpornographie. Beides gibt es, ohne Frage. Beides gibt es auch in der realen Welt. Und Straftaten wie z.B. Beleidigung oder Bedrohung sind in beiden Welten auch jetzt schon strafbar.
Das Schlimme ist aber, dass die Geschichte vom gesetzlosen Internet geglaubt wird. Erscheckend ist daher weniger das Gerede eines sich profilierenden Politikers, sondern die Meinung mancher Bundesbürger dazu, die unreflektiert das Mantra des rechtsfreien Raumes verinnerlicht haben und runterbeten.