Wer ist eigentlich der Antichrist?


Gibt es eine wichtigere Frage?

Ja! Aber die interessiert hier nicht. Wir wollen uns vielmehr damit auseinandersetzen, woran man den Antichristen erkennt und diese Erkenntnis mit potentiellen Antichristkandidaten vergleichen.

Die Antwort auf die Frage nach dem Antichristen ist selbstverständlich nicht ganz einfach. Wäre sie es, könnten wir uns die ganze Apokalypse sparen und zur Tagesordnung übergehen.

Jahrhunderte haben sich gelehrte Häupter oder, nun ja, Häupter, darüber Gedanken gemacht, wer uns denn als tierischer Antichrist den Untergang der Welt einläuten könnten. Freundlicherweise findet man Deutungshinweise in der Bibel, nämlich in der Offenbarung des Johannes. Die muss man nicht ganz lesen (so viel sei verraten: es gibt ein Happy End. Jedenfalls für ein oder zwei Menschen). Es reicht Kapitel 13.

Schauen wir uns anhand dieses Textes an, woran wir den Antichristen erkennen können:

1. Ein Tier stieg aus dem Meer, mit zehn Hörnern und sieben Köpfen. Auf seinen Hörnern trug es zehn Diademe und auf seinen Köpfen Namen, die eine Gotteslästerung waren (13,1)

Wie verteilt man zehn Hörner ästhetisch auf sieben Köpfe? Ich weiß es nicht. Jedenfalls ist das Tier eitel und tätowiert und damit haben wir Hinweis #1.

2. Das Tier, das ich sah, glich einem Panther; seine Füße waren wie die Tatzen eines Bären und sein Maul wie das Maul eines Löwen. Und der Drache hatte ihm seine Gewalt übergeben, seinen Thron und seine große Macht (13,2).

Eventl. müssen wir uns einen schneidigen Typen mit großen Füßen, vorlauter Klappe und womöglich einer schrecklichen Mutter vorstellen. (Hinweis #2)

3. Einer seiner Köpfe sah aus wie tödlich verwundet; aber die tödliche Wunde wurde geheilt. Und die ganze Erde sah dem Tier staunend nach.; (13,3)

Hier haben wir – ausnahmsweise ohne Interpretationsbedarf – Hinweis #3.

4. Es taucht nun in der Offenbarung ein zweites Tier auf, das ein sprechendes Standbild des ersten Tieres erschafft und die Menschen zwingt, dieses anzubeten. Bitte nicht beschweren, ich versuche nur abzukürzen. Nachzulesen unter 13,4-13,16. Dies könnte Hinweis #4 sein.

5. Kaufen oder verkaufen konnte nur, wer das Kennzeichen trug: den Namen des Tieres oder die Zahl seines Namens. (13,17)

Die Zahl ist, wie jeder weiß, die 666. Und damit ergibt sich unser letzter Hinweis. Hinweis #5.

Wer sich jemals irgendwie mit dem Thema auseinandergesetzt hat, der weiß, es gab und gibt eine ganze Reihe heißer Kandidaten für den Posten des Antichristen.

Schauen wir mal:

1. Hitler

Na, wenn nicht er, wer denn dann? Hitler ist ein Top-Kandidat.

Gut, tätowiert war er vermutlich nicht. Aber sein Hakenkreuz war definitiv gotteslästerlich, immerhin war es einer heidnischen Religion entliehen. Welche Schuhgröße er hatte, will mir das Netz partout nicht verraten. Hitler hat diverse Attentate überlebt, u.a. das bekannteste vom 20. Juli 1944. Die Beziehung zu seiner Mutter war zumindest kompliziert und ganz sicher ergibt der Name Adolf Hitler in irgendeiner Konstellation numerisch den Wert 666.

Die Sache hat nur einen Haken. Hitler ist tot und wenn er nicht als unsterblicher Zombie wiederaufersteht, wird nichts aus der Apokalypse.

Und damit scheidet Hitler aus.

2. Bill Gates

Auch Bill Gates ist wahrscheinlich nicht tätowiert und hat damit zumindest eine Sache mit Hitler gemein. Eitel ist er nun gar nicht, dafür ist sein Fenstersymbol über die ganze Welt verbreitet und muss z.T. tatsächlich benutzt werden, um kaufen oder verkaufen zu können. Ob er jemals einen Schlag auf den Kopf bekommen hat, kann nicht unbedingt bezweifelt werden, aber auch das Gegenteil lässt sich nicht beweisen.

Lies den letzten Satz im vorherigen Absatz ruhig zwei- oder dreimal und grüble über die Aussage nach. So kann ich dir bequem unterjubeln, dass Bill Gates definitv den Zahlenwert 666 ergibt! Außerdem hat Steve Ballmer der Menschheit sicherlich x-mal Videos von Bill Gates vorgespielt und damit das sprechende Standbild erschaffen.

Somit ist völlig klar, Bill Gates ist der Antichrist.

3. Der Papst

Muss ich dazu eigentlich irgendetwas erklären? Rein optisch erinnert PUSTELL (Papst Und STELLvertreter) des Herrn durchaus an eine Kreuzung aus allen möglichen Tieren. Sein Sitz ist zudem in Rom, der Stadt der sieben Hügel (Häupter). Sein Vorgänger wurde verletzt und wieder geheilt und wird heute noch verehrt. (Sprechende Standbild usw.) Und JA, der Papst hat selbstverständlich die Zahl 666!

Damit ist der Papst der Antichrist!

4. Tim Berners Lee

Falls du nicht weißt, wer das ist: Tim Berners Lee ist nicht nur ein potentieller Antichrist, er ist auch der Erfinder des WWW. WWW bedeutet, du kannst es dir vielleicht schon denken: 666. Na bitte! Und wer kann heute schon noch ohne das Internet ein- oder verkaufen! Eben! Niemand. Außerdem hat sich das WWW als enormes Machtinstrument über die gesamte Menschheit entwickelt und Tim Berners-Lee wurde im Gegenzug für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Besser kann man sich ja wohl nicht tarnen!

Tim Berners Lee ist eindeutig der Antichrist!

5. Obama

Er trat als der Messias auf, bewegte die Massen auf der ganzen Welt, ist eitel und wortgewandt. Man hat ihm vorgeworfen, ein Panther zu sein (ein black panther um genau zu sein) und selbstverständlich ergibt auch sein Name die Zahl 666. Außerdem wurde er von einem Drachen auf den Thron gehievt (nein, nicht Michelle, sondern George W. Bush, jedenfalls indirekt). Obama gilt als der mächtigste Mann der Welt und sein Abbild flimmert dauernd über die Mattscheibe. Und wer erinnert sich nicht an die Obama-Jünger aus der Wahlkampfphase, die ihr Idol wahrhaftig anbeteten. Außerdem HAT Obama den Friedensnobelpreis gewonnen!

Obama ist – das ist offensichtlich – der Antichrist.

6. Schäuble

Der rollende Antichrist in seinem Feuerstuhl! Nein, man darf natürlich keine Witze über Behinderte machen! Pfui, das ist böse.
Schäuble ist dennoch ein heißer Anwärter, allerdings eher ein Möchtegern-Antichrist. Er hat KEINE anbetungswürdigen Eigenschaften, taugt also nicht als falscher Prophet. Er würde zumindest die Menschheit gerne mit einem Mal versehen, scheiterte in der Vergangenheit mit fast allen Überwachungsvorhaben aber immer wieder. Er wurde verwundet, aber nicht geheilt. Niemand wünscht sich zudem ein sprechendes Standbild von ihm.

Wenn Schäuble also demnächst nicht von alleine aufsteht und sein Zensursula-Tattoo enthüllt, sehe ich kaum Chancen auf den Posten des Antichristen.

7. Guttenberg

Ja, der ist momentan weg vom Fenster, ich weiß. Aber genau darum ist er der verdammte Antichrist! Schließlich ist er metaphorisch verwundet, sogar am Kopf (man denke an das grausame Entreißen des Doktorhuts!). Und er hat bereits angekündigt, dass er wiederkehren wird. Selbstverständlich auf wundersame Weise geheilt (geläutert).

Er wurde von den Massen angebetet und er wird es wieder werden, dafür wird schon das zweite Tier sorgen (Boulevard).

Und in dieser Liste ist er der eitelste, keine Frage.

Außerdem hat er 666 Namen!

Es könnte beim Lesen hier und da die Frage aufkommen, warum Offenbarungen und/oder Prophezeiungen eigentlich IMMER in Form von interpretationsbedürftigem Geschwurbel daherkommen. Nun ja, wenn man sich klar ausdrückt, kann man in Erklärungsnot kommen, wenn die Prophezeiung nicht eintritt. Außerdem wäre es ja zu einfach, wenn z.B. Gott oder die heilige Jungfrau bei einer ihrer zahlreichen Erscheinungen Tacheles reden würden. Und langweilig!

Selbstverständlich greift aber auch hier die religiöse Universalerklärung: Gottes Wege sind unergründlich. Immer noch nicht zufrieden? Nun, man kennt das ja von sich selbst, z.B. aus Vorlesungen oder Filmen. Wie genau kann man nach zwei Stunden schon aufschreiben, was der Dozent von sich gegeben hat oder was der Film eigentlich aussagen wollte? Eben.

Falls ich übrigens irgendjemands religiöse Gefühle verletzt haben sollte, tut mir das von Herzen gar nicht leid.

Die Invasion der trivialen Grütze


Ich habe soeben ein absolut blödes Buch zu Ende gelesen. Der Klappentext wies es als geeignetes Badewannen- und S-Bahn-Buch aus. Innen wurde es dann als Vatikan- bzw. Sakralthriller beworben. Church and Crime passt von jeher gut zusammen und liest sich meist zwar belanglos, aber wenigstens spannend.

Dieses Buch jedenfalls, „Das vierte Geheimnis“ von Joseph Thornborn, hätte ich mir sparen können, bzw. es hätte gereicht, es beim Lesen des Klappentextes zu belassen. Denn dort wird eigentlich alles gesagt: Der Untergang des Abendlandes?

Und genau darum ging es: Um eine, ein paar Hirtenkindern von der Muttergottes Maria höchstpersönlich prophezeite Invasion des Islams ins alte Europa und damit die Einläutung der Apokalypse (Moslem als Anti-Christ, der den Menschen Chips einpflanzen will – das Zeichen des Tiers!).

Offensichtlicher habe ich, meine ich jedenfalls, noch nie die verborgenen und auch abstrusen Ängste eines Autors in einem Buch wiedergefunden.

Mal ganz abgesehen davon, dass es aus göttlicher Sicht schon reichlich dämlich ist, die Verhinderung der Apokalypse in die Hände analphabetischer Kinder zu legen und dann auch noch verschlüsselt, bemerkt man schnell, dass in dem gesamten Buch nie ein viertes Geheimnis auftaucht, denn es gibt nur drei „Geheimnisse“, genannt Prophezeihungen von Fatima.

Wahrscheinlich ist das vierte Geheimnis schlicht die Frage, wie so ein Geschwurbel überhaupt jemals einen Verlag gefunden haben konnte.

Über mich


  • Ich war über ein Jahr nicht krankenversichert. In dieser Zeit war ich nicht ein einziges mal krank.
  • Ich habe mehrere Kunstwettbewerbe gewonnen, einmal sogar irgendetwas europäisches, ich kann mich aber nicht genau entsinnen, was das war, da es über 20 Jahre her ist. Ich bin übrigens künstlerisch nur sehr mittelmäßig begabt.
  • Ich habe aber ein gutes Stimm- und Geruchsgedächtnis. Parfüms, die ich einmal gerochen habe, erkenne ich in der Regel auch nach Jahren wieder. Synchronstimmen kann ich ausnahmslos zuordnen.
  • Ich bin ohnehin vermutlich ein überwiegend auditiver Typ. Das läßt sich für einen selbst leicht feststellen, sofern man das 10-Finger-System beherrscht. Wer bei Typ automatisch Tüp tippt, ist gehörlastig.
  • Zeitschriften blättere ich grundsätzlich von hinten nach vorne durch.
  • Ich liebe Logikrätsel, Nonogramme, Rechenaufgaben und schwere Kreuzworträtsel.
  • Ich habe aus obigen Gründen einen hohen Bleistift- und Radiergummiverschleiß.
  • Was durchaus den Schluss zuläßt, dass ich diese Rätsel zwar sehr gerne löse, aber nicht zwingend gut darin bin.
  • Ich habe Vorurteile gegenüber Adligen. Außer sie lassen sich ihren Adelstitel aberkennen. Ansonsten sehe ich in ihnen ihre selbstgefälligen, ausbeuterischen Ahnsherren, die sich aus blödsinnigen Gründen über andere erhoben haben.
  • Ich mag kein(e) Nutella. Ich finde es sogar sehr widerwärtig, anderen beim Nutellaessen zuzusehen.
  • Kleine Kinder mögen mich oft, ich sie dagegen eher nicht. Ebenso ergeht es mir mit Katzen.
  • Ich könnte nicht mit einem Mann zusammenleben, der seine eigenen Flatulenzen bejubelt.
  • Alkohol ist für mich das, was früher für die Gesellschaft Pornographie war. Abstoßend, aber heimlich und hin und wieder sehr verführisch und verlockend.
  • Der einzige Prominente, bei dessen Tod ich geweint habe, war Peter Ustinov.
  • Ich kann ein klein wenig auf der Gitarre klimpern. Allerdings fehlt mir die Übung – und die Gitarre. Außerdem kann ich nur nach Tabulatur spielen.
  • Meine Lieblingstiere sind Vögel und das einzige Haustier, das für mich jemals in Frage käme, wäre ein Graupapagei (der auf meiner Schulter sitzend Passanten Flüche entgegenschmettert, die mir meine gute Erziehung vebieten würden).
  • Ich habe ein eigenes Bewertungssystem für amerikanische Filme, das auf der Anzahl der Flaggen beruht, die im Film auftauchen. Je mehr amerikanische Flaggen, desto schlechter fällt der Film für mich aus.
  • Kaffee gehört für mich zu den Grundnahrungsmitteln, obwohl ich ausschließlich mit (schwarzem) Tee aufgewachsen bin…
  • …den ich als Kind schon mit Rum trinken durfte…
  • …und trotzdem nicht zur Alkoholikerin wurde.
  • Mir ist nie langweilig.
  • Ich beschäftige mich gerne mit Religionen oder auch esoterischem Gedankgut, verabscheue beides aber.
  • Menschenansammlungen sind mir suspekt. Ich meide sogar, wenn möglich, gut gefüllte Busse oder Bahnen. Dazu warte ich auch problemlos bei Minusgraden auf das nachfolgende Verkehrsmittel oder gehe zu Fuß.
  • Mein Lieblingsgewürz ist Thymian. Meine Lieblingsfarbe ist Rot.
  • Ich finde (illegale) Drogen abstoßend.
  • Generell möchte ich mich ungern von etwas abhängig machen.
  • Was auch auf der – zugegeben etwas absurden – Überlegung beruht, dass mein Überlebenskampf nach einer Entführung durch Terroristen in einer Wüste wesentlich komplizierter verlaufen würde, litte ich bspw. unter Nikotinmangel.
  • Ich hoffe, die haben wenigstens Kaffee für ihre Opfer.
  • Ich besitze ein imaginäres Sexismusglöckchen.
  • Ich bin schwer genußfreudig. Was man auch durchaus sehen kann.
  • Es ist lange her, dass ich mich so mochte, wie ich bin. Vielleicht war das niemals der Fall, das ist noch nicht abschließend geklärt.
  • Ich habe große Probleme mit dem Älterwerden.
  • Meine einzige in etwa gleichaltrige Freundin wohnt 600 km weit weg und wir kommunizieren ausschließlich über E-Mail. Obwohl wir durchaus unsere Telefonnummern kennen.
  • Tatsächlich habe ich nur zwei wirkliche Freundinnen. Wovon die eine locker meine Tochter sein könnte.

Evolutionäre Religion


Ich frage mich oft und wundere mich auch darüber, wie man aus einem 100.000 Jahre alten menschlichen Kieferknochenfragment herauslesen kann, dass die Person sich das Gesicht mit Lehm beschmiert hat, um Feinde zu erschrecken, dass sie Ihre Haar geflochten hat oder Fellschuhe trug. Noch absurder finde ich die wissenschaftlichen „Erkenntnisse“ bezüglich des Verhaltens. Da werden die wildesten Thesen aufgestellt, manchmal abgenickt, meistens verworfen.

Mal konnte der Neandertaler sprechen, mal nicht. Irgendwer sprach im Intelligenz zu, die ihm andererweitig wieder aberkannt wurde. Er soll einen Glauben gehabt haben, aber logisch denken konnte er auch. Womöglich hat er sich auch mit dem HSS vermischt. Vielleicht aber auch nicht. Gevögelt haben sie alle von hinten. Oder von vorn, denn da konnten sie sich in die Augen sehen. Und intelligente Lebewesen treiben es mit Augenkontakt, um ihre sozialen Bindungen zu stärken.

Kulturevulotion dank Missionarsstellung sozusagen.

Jede These, die ein Wissenschaftler in einer unpräzisen Wissenschaft aufstellt, stellt er in dem Bewußtsein auf, etwas bestimmtes beweisen zu wollen, das er bisher nur vermutet. Die Vermutung beruht dabei immer auf persönlichen, individuellen Ansichten, Erfahrung, religiöser Prägung und Erziehung, sie ist manchmal die einzige Motivation, die These überhaupt aufzustellen.

Es ärgert mich immer wieder, wenn solche Thesen mit Scheinbeweisen untermauert und als Tatsachen dargestellt werden.

Man stelle sich unsere Nachkommen in 100.000 Jahren vor oder Außerirdische, die unseren Planeten besuchen. Die einzigen Relikte, die sie finden, sind eine CD von Scooter und die Ruinen der Freiheitsstatue. Hat der Frühzeitmensch sich also mit einfachen Rhythmen in Ekstase getanzt, um einer Feuergöttin zu huldigen? Oder hat er diese Musik als Waffe benutzt und Lady Liberty war ein gigantisches Grabmal oder gar ein rudimentärer Kampfroboter? Wenn in Zukunft eine 500.000 Jahre alte Landmine gefunden wird,  war „der Mensch“ dann sehr kriegerisch und agressiv? Wenn als einziges das Gemälde „Der Mann mit dem Goldhelm“ übrig bleibt, trug „die Menschheit“ also Goldhelme und war künstlerisch außerordentlich begabt?

Was schließen wir also aus ein paar Höhlenmalereien und Feuerstätten? Dass die Männer Mammuts gejagt haben und die Frauen das Feuer hüteten? Dass mit Keulen auf den Nachbarn eingedroschen wurde, weil er die eigenen Jagdpfründe gefährdete? Schnappen wir deshalb Artgenossen gern den Parkplatz weg, sofern wir uns evolutionär bedingt mit dem Einparken nicht schwer tun?

Manche Theorien sind bisweilen gefährlich, manche hemmend. Unser Verhalten mit dem vermeintlichen Tun und Lassen der Urmenschen begründen zu wollen, ist auch eine bequeme Ausrede für konservative und traditionelle Denkstrukturen. Wir verhalten uns auf eine bestimmte Weise, weil wir schon immer so waren. Evoultion ist also etwas, was uns von außen passiert, nichts, was wir beeinflussen können? Das ist eine traurige Vorstellung von Schicksal. Und nicht weit entfernt von verschiedenen religiösen Strömungen.

Ich bin Kriegerin des Lichts!


Anna ist Ende 50 und eine sehr religiöse Frau. Sich selbst würde sie niemals so bezeichnen, denn Religion ist in ihren Augen etwas für angestaubte Eunuchen. Sie dagegen ist modern und frisch. Ihr Gott hat viele Gesichter. Vorallem ist er aber eines: pure Energie. Sie ist umgeben von Engeln, mit denen sie spricht und die sie begleiten. Sie ist eine Kriegerin des Lichts, die der Welt helfen wird, im Jahr 2012 einen Wandel zu vollziehen. Sie bereitet den Aufstieg der Menschheit vor.

Anna hat früh geheiratet und Kinder bekommen. Eigentlich wollte sie das nicht, aber die Kinder verschafften ihr Anerkennung. „Du bist eine gute Mutter, Anna.“ sagten die Leute. Und Anna fühlte sich bedeutsam.

Gelernt hat sie nichts. „Frauen heiraten doch.“ hieß es in ihrer Familie. Und es sind ja Kinder da, um die sie sich zu kümmern hat. Ihr Mann betrügt sie. Er ist ja auch noch jung. So ist das mit den Männern. Anna will sich aber auch selbst finden, ihr Leben ordnen. Als erstes trennt sie sich von ihrem Mann. Da ist sie 20.

Sie fühlt sich überfordert. Ihr Leben ist so sinnlos. Sie sitzt in einem Zimmer und sieht den Kindern beim Spielen zu. Sie spricht in Babysprache. Wann hat sie sich das letzte Mal mit einer Freundin unterhalten? Wann ist sie ausgegangen? Anna denkt an Selbstmord.

Als sie ihn kennenlernt, weiß sie sofort, dass es nicht die große Liebe ist. Aber sie braucht einen Versorger. Sie ist jetzt über 30 und hat die wechselnden Bekanntschaften satt. Anna heiratet Carlo und bekommt bald darauf ein Kind.

Carlo ist ein Pascha. Seine Rollenvorstellung sind klar definiert. Sobald er die gemeinsame Wohnung betritt, wird er nicht einen Finger rühren. Anna dagegen arbeitet rund um die Uhr. Sie versorgt die Kinder, kümmert sich um das Baby, geht Einkaufen, kocht und säubert die Wohnung. Sie schläft nur noch vier Stunden, Freundschaften vernachlässigt sie. Zum Denken kommt sie gar nicht mehr. Wieder plagen sie Suizidgedanken.

Die großen Kinder sind endlich aus dem Haus. Anna fühlt sich ein wenig entlastet. Sie beginnt sich für die Natur zu interessieren. Sie besucht Bioläden und setzt sich mit den Antroposophen auseinander. Ein wenig Zeit hat sie, um zu lesen. Im alternativen Buchladen findet sie Silberbirkes Rede und ein Buch über die menschliche Aura. Ausgehungert verschlingt sie jedes Wort.

Anna hat sich eine kleine Bibliothek zusammengespart, indem sie kleine Beträge von dem ihr zugewiesenen Haushaltsgeld abzwackt. Sie ist stolz auf ihre Bücher über Meditation, Bewußtseinserweiterung, Auralesen, Zahlenorakel, Naturphilosophie. Eines Tages ersteht sie ein weiteres Werk. Es geht um Engel. Anna fühlt sich verstanden. Die Wahrheit strömt aus diesem Buch. Sie findet wieder, was sie selbst beobachtet hat. Alles ist nun schlüssig.

Sie ist jetzt fast 50. Eigentlich ist es doch zu spät. Aber warum nicht? Sie ist gegen Abtreibung. Also wird sie das Kind bekommen. Sie nennt es Gabriel.

Anna fühlt, wie sie Macht durchströmt. Sie ist von den Engeln beseelt, vom göttlichen Licht durchflutet. Sie ist eine Hellseherin, kann Astralreisen unternehmen und mit Tieren sprechen. Sie ist frei. Solange sie sich in ihrem Universum befindet.

Gabriel ist ein Indigokind. Er wird ein Gott. Allmächtig und unsterblich. Er wird die Welt retten. Anna weiß das und bereitet Gabriel darauf vor.

Ihre Familie benimmt sich merkwürdig. Es kommt häufig zum Streit. Der Älteste will nichts von ihren Engelsbotschaften wissen. Sie ist ratlos. Dabei ist er doch auch auserwählt. Vielleicht wird er von den Engeln geprüft. Die Tochter ist in einem anderen Land. Alles begründet und erklärt sie mit ihrem bärtigen Gott. Anna hasst den bärtigen Gott und bekehrt ihre Tochter zu den Engeln.

Carlo und der mittlere Sohn werden immer aggressiver. Anna fühlt die bösen Kräfte der Ungläubigen. Sie werden bestraft werden. Das weiß Anna. Und sie lächelt bei dem Gedanken.

Anna sitzt in der Küche und betet zum Erzengel Gabriel. Er möge ihre Wohnung vor dem Teufel schützen und die Räume reinigen. Immer wieder wiederholt sie den einen Satz. Er wird sie schon erhören. Er wird alles zum guten wenden. Er hat es ihr versprochen. Ein Haus bekommt sie und viel Geld. Das hat er gesagt.

Die Fenster dürfen nicht mehr geöffnet werden. Das Böse wird sonst ins Haus kommen. Anna hat diese Anweisung gegeben und ihr ältester Sohn, mittlerweile wohnt er wieder bei ihr, hat sich ihr widersetzt.  Anna schlägt ihm die Türe vor der Nase zu. Wie kann er es nur wagen!! Anna weiß, dass sie sofort handeln muss, bevor der Teufel die Räume verunreinigt. Sie schlüpft auf den Balkon, setzt sich auf den Tisch und betet.

Anna fragt nicht, ob sie sich glücklich fühlt. Sie fühlt sich mächtig und bedeutsam. Sie wird die Welt retten, sie wird die Bösen mit Licht durchfluten. Mittlerweile hat sie Kontakt mit Außerirdischen aufgenommen. Diese heilen sie. Anna fühlt ihre Unsterblichkeit. Die Venusianer, die Wesen vom Sirius, die Kreaturen von Alpha Centauri, sie bestätigen Annas Macht. „Du bist etwas besonderes, Anna.“ sagen sie.

Anna war meine „Schwiegermutter“. Als ich sie kennenlernte, war sie mit Gabriel schwanger. Schleichend bemächtigte sich die Esoterik ihres Verstandes. Heute lebt sie in ihrer eigenen Welt. Ihre Familie ist hilflos, weiß sich und ihr nicht zu helfen. Nur Gabriel steht zu ihr. Er denkt tatsächlich, er sei ein allmächtiger Gott.

Es trifft mMn häufig Frauen in Annas Alter. Gerade keine dummen Frauen, sondern Frauen, die sich ihr Leben lang, beschränkt auf Haushalt und Kinder, bedeutungslos gefühlt haben und nun ihre Machtphantasien ausleben müssen. Sie brauchen einen Gegenpol und den finden sie in der für sie sehr schlüssigen Esoterik (bzw. in Teilgebieten, gerade die Engelsgläubigkeit ist momentan sehr populär).

Anna ist sicher ein Extremfall. Aber er zeigt, was Religion aus einem leicht zu beeinflussenden Menschen, besonders aber aus einem mit geringem Selbstwertgefühl, machen kann, in welchen Fanatismus sie ihn treiben kann. Dabei kann keine Religion, kein Glaube ausgenommen werden. Jeder Glaube, jede Religion spielt mit Machtgedanken, Dünkelhaftigkeit, Rachegelüsten und Sinnverleihung bei den Opfern/Gläubigen.

Die Esoterik mit ihren unterschiedlichen Strömungen, z.B. Hexenglauben, Lichtkrieger, Glaube an heilige Außerirdische usw., ist besonders verführerisch, weil sie Spielraum lässt, weil sie sich besser darstellt, als die herkömmlichen Religionen und weil sie häufig einen wissenschaftlichen Touch hat.

Momentan versuche ich, meinen Ex-Freund davon zu überzeugen, dass Anna professionelle psychologische Hilfe braucht und dringend von Gabriel entfernt werden muss, der ohnehin am meisten Schaden genommen hat.

(Sämtliche Namen habe ich selbstverständlich geändert.)