Lektion für Schüler: Wie man lernt, was Politik, Intoleranz und Journalismus bedeuten


Daß man mit schulischen Aktivitäten auch für’s Leben lernen kann, durften kürzlich zwei Schüler erfahren, die mit einem Artikel in einer deutschlandweiten Schülerzeitung (Q-rage) den Zorn evangelikaler Christen auf sich zogen. Der Artikel befasst sich mit einer christlichen Veranstaltung dieser Gruppierung, genannt Christival. (Hier als PDF zum Download angeboten). Die Autoren bewerten sowohl das Festival als auch die Anhänger sehr kritisch. Unter anderem unterstellen die beiden Jungs den Anhängern dieser religiösen Strömung teilweise Intoleranz und untermauern dies mit in der Tat fragwürdigen Seminaren/Vorträgen, die im Rahmen des Festivals angeboten wurden oder werden sollten, zitieren Aussagen einer bekennenden Evangelikalen und lassen auch Gegner zu Wort kommen.

Evangelikale Funktionäre zeigten sich denn auch gleich von ihrer intolerantesten Seite und griffen den Artikel und ebenfalls das der Schülerzeitung beigefügte Empfehlungsschreiben des Präsidenten der Bundeszentrale für politische Bildung, Herrn Krüger von der SPD, scharf an. Denn dort heißt es:

„In der Zeitung finden sich interessante Informationen, wie islamistische und evangelikale Gruppen, die wichtige Freiheitsrechte in Frage stellen, Jugendliche umwerben.“
(Quelle)

Der Vergleich Evangelikale mit Islamisten wiegt in den Augen der Evangelikalen besonders schwer.

Tatsächlich ist es doch so, daß jede Religion gleich agiert, jeder Extremismus, jeder Fundamentalismus die gleichen Strategien anwendet, um die Umworbenen in möglichst nicht denkenden Schäfchen zu verwandeln, damit sie sich problemlos in die gegebene Machtstruktur einfügen.

Insofern kann ich verstehen, daß sich die Evangelikalen angegriffen fühlen. Der Vergleich trifft in meinen Augen den Nagel auf den Kopf und ein gerechter Vorwurf erregt verständlicherweise Zorn, weil man sich zu Recht ertappt fühlt.

Das lächerliche und kindische Echauffieren bewegt mich eigentlich kaum. Auch nicht, daß mit Boshaftigkeit und einem interessanten Verständnis von Nächstenliebe auf zwei Teenager losgegangen wird. Das war im Prinzip von solchen radikalen Gruppen zu erwarten. Für die beiden Autoren ist das schon mal eine gute Lektion in Sachen Journalismus: Über alles kannst du schreiben, alles angreifen, alles karikieren – nur bei Religion, da hältst du besser das Maul. Denn da hört das Verständnis auf und schlimmstenfalls fürchtest du um dein Leben.

Was mich maßlos ärgert, worüber ich mich stundenlang aufregen könnte, was mich so wütend macht, daß ich schreien könnte, daß ist das Verhalten von Herrn Krüger. Wie wenig Rückgrat muss man haben, um sich nach der Kritik so widerwärtig zu verbiegen und den Autoren so grausam in den Rücken zu fallen:

Thomas Krüger und seine Bundeszentrale reagierten auf ihre Art: Sie distanzierten sich – und zwar nicht von den Evangelikalen, sondern von „Q-rage“ und dem Artikel von Samuel und Hannes. „Die bpb hält diesen Beitrag in seiner Einseitigkeit und Undifferenziertheit für gänzlich unakzeptabel.“
(Quelle)

Warum dann die Empfehlung? Tja, auch dafür gibt es eine wirklich plausible politische Begründung:

„Wir haben auf die ausgewogene Berichterstattung früherer Ausgaben vertraut“, (…), „im Stress habe ich dann mehr oder weniger blind unterschrieben, und so ist die bedauerliche Formulierung durchgerutscht.“
(Quelle)

Und die Deppen, die solche Vollpfosten wählen und in die entsprechenden Positionen bringen, das sind wir.

Herr Krüger hat meine vollste Verachtung und mein Mitleid dafür, daß er nicht die Courage besitzt, sich hinter zwei Jugendliche zu stellen, die im Grunde nichts falsch gemacht haben.

Weihnachten ist ein friedliches und besinnliches Fest. Christen feiern an Weihnachten die Geburt Jesu Christu, der in der bekannten Bergpredigt ua. folgendes gesagt haben soll:

Ihr habt gehört, dass gesagt wurde: ‚Du sollst deinen Nächsten lieben, aber deinen Feind hassen.‘ Ich aber sage Euch: Liebet eure Feinde, segnet, die euch verfluchen, tut Gutes denen, die euch hassen, bittet für die, die euch beleidigen und verfolgen: So werdet Ihr Kinder eures Vaters im Himmel sein.

Wenn man sich als bibeltreuer Evangelikaler auf das Neue Testament beruft, sollte man die Stelle eigentlich kennen und wenn man sich in der entsprechenden Position wähnt, sollte man die eigenen Grundsätze beherzigen.

Zum Thema:

Spiegel online
Taz
Fefe