Die außergesellschaftliche Verortung von Einsamkeit


Oder so ähnlich. Manche Sätze muß man ja zwei-, dreimal lesen, bevor man ansatzweise versteht, was gemeint sein könnte. Besonders in wissenschaftlicher Literatur findet man häufig Konstrukte, manche sogar seitenlang, deren Sinn man einfach nicht entschlüsseln kann.

Mein ehemaliger Professor für Arbeitsrecht sagte einmal, wer sich nicht klar ausdrücken könne, der verwende möglichst viele Fremdworte. Ein paar hielten sich daran und erhielten Punktabzug. Muhahaha. (Geschadet hat es aber nicht. Sind heute sicherlich alle Anwälte und Richter.)

Eine nützliche Empfehlung gab uns auch ein Strafrechtsprofessor mit auf den Weg: „Schreiben Sie so klar und verständlich, daß es auch der lezte Depp verstehen kann. Immerhin haben Sie es zukünftig bevorzugt mit Juristen zu tun.“

Das hat dieser Journalist/Autor wohl versäumt:

„Bei Politikern, so scheint es, ist die Behauptung von Einsamkeit die letztmögliche Form eines heroischen Habitus. Der beständigen öffentlichen Kritik ausgesetzt, entzieht sich der Politiker ihr mit der Suggestion einer einsamen Charaktertiefe, die nur außerhalb der Gesellschaft zu verorten sei.“ (Quelle)

Privatisierte Klos dank Studiengebühren


Zu meiner Zeit waren Forschung und Lehre noch frei, sprich for free. Das Studium war also kostenlos. Kostenlos bedeutete übrigens, daß ein Studium Anfang der 90er Jahre so um die 60.000 DM teuer war, sofern man nicht makrobiotischer Asket mit Wohnsitz im Hörsaal war. Dann wäre man vielleicht auch mit 10.000 DM durchgekommen.

Irgendwann blickte die Politik dann über den großen Teich und voll Unverständnis ins Gesetz. Ne, sagten die Männer und Frauen, die ihr Studium selbst noch in kurzen 15 Semestern und ohne einen Cent bzw. Pfennig zu bezahlen absolvierten (oder nicht), wieso kostet das Erlangen einer höherqualifizierten Ausbildung eigentlich nichts? Was fällt den Ärzten, Atomphysikern und Weltformelerfindern von Morgen ein zu glauben, im Leben würde ihnen etwas geschenkt?

Und so keimte die Idee, es anderen Ländern gleichzutun, und das Studium mit einem halbjährlichen Salär zu belegen. Schlau, wie Politiker bekanntlich sind, bot man allerdings nicht die Gegenleistung, die man bspw. in den Staaten oder in Großbritannien für eine Hochsschulausbildung bekommt. Nö, das wäre ja, das wäre, hm, wie heißt das Wort noch gleich? Ach ja, gerecht.

Selbstverständlich band man die Geldsummen größtenteils per Hochschulgesetz an einen vorgegebenen Zweck. Das muß man schon anmerken. Semestergebühren dürfen bspw. nicht dazu verwendet werdet, die Büros einer Stadtverwaltung mit Flachbildschirmen auszustatten oder die Straße zu sanieren, die zum Haus des Bürgermeisters führt. Nein, die Summen sollten in Forschung und Lehre eingehen.

Das ist natürlich furchtbar schwammig ausgedrückt und von keinem Hochschulgremium zu verstehen. Man muß nur kurz überlegen, wer in solchen Gremien sitzt: Haufenweise Juristen und denen kannst Du mit so unpräzisen Angaben nicht kommen. Unterstützen Yucca-Palmen in den Hörsälen nicht auch Forschung und Lehre? Sieht doch netter aus und verbessert das Uni-Klima! Und als Professor sollte man doch einen bequemen Plüschsessel im Sprechzimmer stehen haben. Wer ausgeruht in die Vorlesung schreitet, unterrichtet sicher besser.

Um solche Merkwürdigkeiten zu unterbinden, sitzen in den Gremien auch Studenten. An manchen Hochschulen stellen sie sogar die Mehrheit.

Das ist natürlich blöde. Am Ende fordert das Studentenpack bessere Lehrmittelausstattung oder gar mehr Dozenten!

In Bonn hatten die Vertreter der Studenten jedenfalls gar kein Verständnis dafür, daß die Gelder aus den Studiengebühren in die Sanierung der Toiletten investiert werden sollten. Dabei ist doch völlig einleuchtend, daß ein funktionstüchtiges Klo definitiv zur Verbesserung der Studienbedingungen beiträgt!

Aber da wird doch tatsächlich von Seiten der Studenten gegenargumentiert, Toiletten gehören zur Grundausstattung und die Renovierung müsse daher das Land finanzieren! Wie jetzt, zur Grundausstattung? Das wäre ja so, als würde man von einer Mietswohnung erwarten, dort ein Badezimmer vorzufinden ohne dafür den Sanitärinstallateur bezahlen zu wollen! Das ist ja, also das ist, wie soll man sagen? Völlig unangemessen?

Nun, die Studenten kamen mit dieser Argumentation tatsächlich durch. Aber, ätschbätsch, so leicht läßt sich eine Hochschulverwaltung doch nicht abservieren! Damit die doofen Hochschüler gleich mal lernen, wie es im wahren Leben läuft, reifte im Bonner Unisenat ein wahrhaft genialer Plan! Die stinkigen Klos werden jetzt nämlich von einer Firma saniert, die nach der Renovierung den Toilettengang mit einer Maut belegen darf.

Tja, das haben die aufmüpfigen Studenten nun davon! Jetzt müssen sie für einmal Pissen blechen! Und wenn in Bonn demnächst die Parkplätze der Lehrstuhlleitung mit vergoldeten Tafeln versehen werden, wird der AStA nicht mehr aufmucken! Muhahaha! Und wem’s nicht paßt, der kann ja eine Schreinerlehre machen. Dafür wird man sogar bezahlt! Wer braucht schon gut qualifizierte Ärzte, Wissenschaftler oder Lehrer? Deutschland sicher nicht.

Nachrichten, wie sie sein sollen


Sind wir doch mal ehrlich. Ständig Krieg, Kindesmißhandlung, gebrochene Politikerversprechen, Finanzkrise und Börsentiefflug – das deprimiert auf Dauer. Dummheit und Unwissen kann dagegen wunderbar glücklich machen. Und deshalb begrüße ich die Entscheidung der Pro7-Nachrichtenredaktion außerordentlich, fortan auf Meldungen, die uns aufregen, informieren oder zum Nachdenken anregen können, zu verzichten.

Wunderbar also die heutige 18 Uhr Newstime:

  • Irgendeine Feuerwehr irgendwo in Deutschland ist zum zweiten Mal in 15 Jahren abgebrannt. Kommentar eines Feuerwehrmanns: „Wir sind verflucht.“
  • Obama hat in einem Diner gegessen und hatte eine Zwiebel an der Lippe kleben. Er bat außerdem um geriebenen Käse.
  • Aus irgendwelchen Gründen gibt es viele Haie und die greifen Menschen an.
  • Prinz Harry hat auf einem uralten Video seine Kumpels ziemlich politisch unkorrekt beschimpft und sich über Omi lustig gemacht. Kommentar von irgendjemanden dazu: „Der Prinz reißt tiefe Gräben in unser Land.“
  • Skifahren: Irgendjemand hat irgendwas gewonnen.
  • Und zuletzt noch ein bißchen Eigenwerbung für Pro7, schön verpackt in eine Meldung: Irgendwo werden die Golden Globes vergeben. Pro7 wird das Spektakel übertragen.

Wunderbar! Nachrichten, wie sie sein sollen. Und man muß sie sich nicht mit Coke Zero schön trinken. Obwohl die Produktbezeichnung doch durchaus passend wäre.

Lektion für Schüler: Wie man lernt, was Politik, Intoleranz und Journalismus bedeuten


Daß man mit schulischen Aktivitäten auch für’s Leben lernen kann, durften kürzlich zwei Schüler erfahren, die mit einem Artikel in einer deutschlandweiten Schülerzeitung (Q-rage) den Zorn evangelikaler Christen auf sich zogen. Der Artikel befasst sich mit einer christlichen Veranstaltung dieser Gruppierung, genannt Christival. (Hier als PDF zum Download angeboten). Die Autoren bewerten sowohl das Festival als auch die Anhänger sehr kritisch. Unter anderem unterstellen die beiden Jungs den Anhängern dieser religiösen Strömung teilweise Intoleranz und untermauern dies mit in der Tat fragwürdigen Seminaren/Vorträgen, die im Rahmen des Festivals angeboten wurden oder werden sollten, zitieren Aussagen einer bekennenden Evangelikalen und lassen auch Gegner zu Wort kommen.

Evangelikale Funktionäre zeigten sich denn auch gleich von ihrer intolerantesten Seite und griffen den Artikel und ebenfalls das der Schülerzeitung beigefügte Empfehlungsschreiben des Präsidenten der Bundeszentrale für politische Bildung, Herrn Krüger von der SPD, scharf an. Denn dort heißt es:

„In der Zeitung finden sich interessante Informationen, wie islamistische und evangelikale Gruppen, die wichtige Freiheitsrechte in Frage stellen, Jugendliche umwerben.“
(Quelle)

Der Vergleich Evangelikale mit Islamisten wiegt in den Augen der Evangelikalen besonders schwer.

Tatsächlich ist es doch so, daß jede Religion gleich agiert, jeder Extremismus, jeder Fundamentalismus die gleichen Strategien anwendet, um die Umworbenen in möglichst nicht denkenden Schäfchen zu verwandeln, damit sie sich problemlos in die gegebene Machtstruktur einfügen.

Insofern kann ich verstehen, daß sich die Evangelikalen angegriffen fühlen. Der Vergleich trifft in meinen Augen den Nagel auf den Kopf und ein gerechter Vorwurf erregt verständlicherweise Zorn, weil man sich zu Recht ertappt fühlt.

Das lächerliche und kindische Echauffieren bewegt mich eigentlich kaum. Auch nicht, daß mit Boshaftigkeit und einem interessanten Verständnis von Nächstenliebe auf zwei Teenager losgegangen wird. Das war im Prinzip von solchen radikalen Gruppen zu erwarten. Für die beiden Autoren ist das schon mal eine gute Lektion in Sachen Journalismus: Über alles kannst du schreiben, alles angreifen, alles karikieren – nur bei Religion, da hältst du besser das Maul. Denn da hört das Verständnis auf und schlimmstenfalls fürchtest du um dein Leben.

Was mich maßlos ärgert, worüber ich mich stundenlang aufregen könnte, was mich so wütend macht, daß ich schreien könnte, daß ist das Verhalten von Herrn Krüger. Wie wenig Rückgrat muss man haben, um sich nach der Kritik so widerwärtig zu verbiegen und den Autoren so grausam in den Rücken zu fallen:

Thomas Krüger und seine Bundeszentrale reagierten auf ihre Art: Sie distanzierten sich – und zwar nicht von den Evangelikalen, sondern von „Q-rage“ und dem Artikel von Samuel und Hannes. „Die bpb hält diesen Beitrag in seiner Einseitigkeit und Undifferenziertheit für gänzlich unakzeptabel.“
(Quelle)

Warum dann die Empfehlung? Tja, auch dafür gibt es eine wirklich plausible politische Begründung:

„Wir haben auf die ausgewogene Berichterstattung früherer Ausgaben vertraut“, (…), „im Stress habe ich dann mehr oder weniger blind unterschrieben, und so ist die bedauerliche Formulierung durchgerutscht.“
(Quelle)

Und die Deppen, die solche Vollpfosten wählen und in die entsprechenden Positionen bringen, das sind wir.

Herr Krüger hat meine vollste Verachtung und mein Mitleid dafür, daß er nicht die Courage besitzt, sich hinter zwei Jugendliche zu stellen, die im Grunde nichts falsch gemacht haben.

Weihnachten ist ein friedliches und besinnliches Fest. Christen feiern an Weihnachten die Geburt Jesu Christu, der in der bekannten Bergpredigt ua. folgendes gesagt haben soll:

Ihr habt gehört, dass gesagt wurde: ‚Du sollst deinen Nächsten lieben, aber deinen Feind hassen.‘ Ich aber sage Euch: Liebet eure Feinde, segnet, die euch verfluchen, tut Gutes denen, die euch hassen, bittet für die, die euch beleidigen und verfolgen: So werdet Ihr Kinder eures Vaters im Himmel sein.

Wenn man sich als bibeltreuer Evangelikaler auf das Neue Testament beruft, sollte man die Stelle eigentlich kennen und wenn man sich in der entsprechenden Position wähnt, sollte man die eigenen Grundsätze beherzigen.

Zum Thema:

Spiegel online
Taz
Fefe