Recht und billig


Aktuell wird das Sommerloch mit Pseudomeldungen über eine angebliche Erhöhung der Hartz-IV-Sätze gefüllt.
Diskutiert wird darüber meistens von Menschen, die nie im Leben eine Armutserfahrung gemacht haben und/oder nie Gefahr laufen, in eine solche Notlage zu gelangen.

Ich beziehe nun schon lange kein Hartz-IV mehr. Aber die Erinnerung daran ist mehr als präsent. Das lähmende Gefühl, die Angst vor dem täglichen Gang zum Briefkasten, die Anhäufung der Schulden, der Offenbarungseid, der Verlust letzter Lebensqualitäten wie des Bankkontos, Telefons, Fernsehens und zuletzt des elektrischen Stroms.

Ich habe fast meine ganze Hartz-IV-Zeit hindurch in Vollzeit gearbeitet. Wie höhnisch und zynisch ich die Debatte mit Phrasen wie „Arbeit muss sich wieder lohnen“ finde, kann sich der eine oder andere vielleicht vorstellen.

Mein Stundenlohn betrug 3,75 Euro. (brutto)

Und hat sich meine Leistung gelohnt? Aber ja, für meinen Arbeitgeber!

Die Grundsicherung darf selbstverständlich nicht genauso hoch sein wie die Niedriglöhne, denn sonst gäbe es keinen Anreiz mehr, zu arbeiten.

Das hört man (wieder – z.B. hier)  und es  ist auch eine weit verbreitete Meinung, die im übrigen impliziert, dass die Mehrheit der Arbeitslosen eigentlich gar nicht arbeiten will. Ist das so?

Ich arbeite gern und ich denke, das habe ich gerade in meiner Hartz-IV-Zeit bewiesen, obwohl ich in jener Zeit die meiste Schelte der Öffentlichkeit für mein Dasein bekam.
Geld ist wohl nicht der einzige Anreiz, sonst gäbe es kaum so eine große Anzahl Menschen, die mit Hartz-IV aufstocken müssen – totz der Häme, die sie als Hartzler überall kassieren. Aber mag sein, dass ein Politiker sich eine Motivation jenseits des Finanziellen nicht vorstellen kann.

Ich denke, Arbeiten ist ein Grundbedürfnis, jedenfalls eines der meisten Menschen. Jeder Mensch wünscht sich Erfolge, Anerkennung und Befriedigung, etwas erreicht zu haben. Es existierte keine ehrenamtliche Tätigkeit, wenn es dieses Bedürfnis in uns nicht gäbe.

Aber ist es auch anständig, dieses Bedürfnis für die eigenen materiellen Interessen auszubeuten?

Ich weiß, dass Anstand nichts mehr ist, worüber in unserer Gesellschaft ernsthaft diskutiert wird. Anstand ist heute ein Synonym für Schwäche oder Dummheit. Dabei ist Anstand die Basis unserer gesellschaftlichen Interaktion. Auf das Anstandsgefühl greift unser Privatrecht vielfach zurück. Ein Verstoß dagegen definiert die Sittenwidrigkeit.

Denn Sittenwidrigkeit ist ein Verstoß gegen die guten Sitten. Die guten Sitten aber werden durch das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden geprägt. (Quelle)

Anständig wäre es, den Menschen so viel Lohn zu bezahlen, dass sie davon vernünftig leben können. In unserer Gesellschaft werden aber die belohnt, die diesen Anstand nicht besitzen. Denn die dürfen sich an der Arbeitskraft bereichern und lassen den Staat, also uns, ihre verkommene Ausbeutung finanzieren.

Ermöglicht wird das wiederum durch die Anstandslosen, die durch Wähler und auch Nichwähler an die Macht gelangen. Anstandsgefühl ist sicher ein Ausschlusskriterium, um ein sogenanntes hohes Amt zu bekleiden. Gäbe es nur noch ein paar wenige Staats“diener“ unter den Politikern, vielleicht hätten wir dann schon längst – wie in anderen Ländern auch – einen branchenübergreifenden Mindestlohn. Aber dessen Einführung ist selbstverständlich inakzeptabel.

Recht und billig sind dagegen unsere Niedriglohnsklaven. Ja, sogar wortwörtlich.

Friseurin mit Stockholm-Syndrom


Stockholm-Syndrom, so bezeichnet man die Solidarisierung von Opfern mit Tätern, meist bezogen auf Entführungen. Ich weiß nicht, ob die Begrifflichkeit übertragen werden kann – ein Psychologe mag mich hier aufklären – aber es ist bekannt, dass sich auch Unterdrückte mit den Unterdrückern arrangieren, ihnen sogar gefällig werden.

Gut zu sehen ist das bis heute bei vielen Frauen, die andere Frauen, besonders solche mit feministischem Gedankengut, diffamieren oder allzu freiheitsliebende Frauen gesellschaftlich ächten, um männliche Anerkennung zu ernten. Auch bei Sklaven konnte man beobachten, dass sie sich ihrem Sklavendasein fügten und ihre minderwertige Stellung akzeptierten. Obwohl sie nahezu rechtlos waren, waren manche ihrem Herrn (und Unterdrücker)  sehr treu ergeben.

Und schließlich gäbe es keinen Adel, keine Könige, wenn Menschen nicht glauben würden, andere seien mehr wert als sie und es sei somit rechtens, dass sie (bis heute) ihr Haupt vor gekrönten Häuptern senkten, die sich zuvor und über Jahrhunderte an der Arbeitskraft des Verbeugenden (und seiner Vorfahren) mittels Gewalt bereichert haben.

Ich mag nicht spekulieren, warum das so ist. Tatsache ist jedenfalls, dass man dieses bedauernswerte Gebaren gerade in den letzten Tagen in den Medien häufig wieder beobachten konnte.

Da proletisiert eine Floristin (600 Euro netto/Monat) darüber, dass es nicht in Ordnung sei, dass ein Hartz-IV-Empfänger genauso viel Geld zur Verfügung habe wie sie. Die Friseurin (650 euro netto/Monat) stupidet eifrig vor den Kameras, es lohne sich ja gar nicht mehr, zu arbeiten, mit Hartz-IV hätte sie das gleiche Einkommen und sie könne den ganzen Tag faulenzen.

Ihr meinungsbildendes Medium dürfte die große Tageszeitung sein, die jüngst mit dem Spruch „Bin ich dumm, wenn ich noch arbeite?“ ihr Titelblatt aufblödete.

Tatsächlich sollten die Friseurin und Floristin diese Frage mit JA! beantworten. Und sie tun es. Nur leider mit verquerer Erklärung, denn sie lassen sich für eine Schmutzkampagne der bildungsfernen Medien und der destruktiven Politik mit ihren lobbyistischen Vertretern instrumentalisieren.

Was soll ich von den Aussagen der beiden Arbeitnehmerinnen halten?

Zum einen höre ich aus der Aussage der Floristin heraus, der Hartz-IV-Empfänger solle weniger finanzielle Unterstützung erhalten als sie Lohn mit nach Hause nehmen kann. Umgekehrt bedeutet das außerdem, sie ist mit den 600 Euro, die sie in der Tasche hat, anscheinend zufrieden. Sie suggeriert mir, dass ihre Arbeit nicht mehr wert sei als die 3,75, die ihr netto pro Stunde übrig bleiben. Damit hat sie definitiv den Beweis ihrer Dummheit erbracht, denn offensichtlich kommt ihr nicht ansatzweise der Gedanke in den Sinn, dass sie sich langfristig nur schadet, wenn sie nach unten tritt, anstatt in aller Öffentlichkeit lautstark nach einem Mindestlohn zu rufen, der ihr eine menschenwürdige Bezahlung ermöglichen würde.

Die Friseurin verbreitet dagegen Falschinformationen. NIEMAND, der arbeitet, hat das gleiche Einkommen wie ein Hartz-IV-Empfänger in vergleichbaren Lebensverhältnissen, der sich auf die faule Haut legt. Ich selbst habe bei einer 40-Stunden-Woche knapp 400 Euro Lohn monatlich erhalten. Selbstverständlich konnte/musste ich Hartz-IV dazu beantragen. Von meinem Lohn blieb mir ein Anteil (ich glaube, es waren 160 Euro) übrig, der die damalige Grundversorgung von 345 Euro aufstockte.

Dass es natürlich eine absolute Ungeheuerlichkeit ist, dass mein ehemaliger Arbeitgeber den Staat bemühte, um mich in Lohn und Brot zu halten (und sich ein Mehrfamilienhaus und einen neuen BMW zu finanzieren), ist eine andere Geschichte. Dass es eine weitere Ungeheuerlichkeit ist, dass es so niedrige Löhne überhaupt geben darf und der Staat windigen Arbeitgebern bei ihrer Gewinnmaximierung hilfreich und andienend zur Seite steht, steht außer Frage.

Die Floristin und die Friseurin hätten jedenfalls absolut gar nichts davon, wenn man den Hartz-IV-Satz senken würden. Im Gegenteil. Und tatsächlich sind beide dumm, wenn sie noch arbeiten – für so eine geringe Entlohnung!

Aber wie die Schafe blöken in diesen Tagen viele ihr Halbwissen in die Welt und buckeln vor ihren Hirten. Ich frage mich, wann die breite Erleuchtung die Herde überkommt und ihr klar wird, wie sehr sie verarscht wurde und wird. Ich frage mich, wie lange es dauert, bis Köpfe nicht mehr metaphorisch rollen, bis die RAF wiederaufersteht, bis der Reichstag wieder brennt. Mir scheint, manche Politikerhülsen, die zur Zeit dreckige Luft aushusten, wollen diesen Prozess beschleunigen.

Warum Piraten keine Frauen haben


Seit geraumer Zeit schon verfolge ich die Entwicklung der Piratenpartei.  Mein Interesse und meine Sympathie kann man sicher aus einzelnen Artikeln herauslesen, die hier erschienen sind. Doch ich bin kein Mitglied. Noch nicht jedenfalls. Dabei werde gerade ich, wenn man den Medien Glauben schenken darf, von den Piraten gesucht. Denn ich bin eine Frau, und Frauen fehlen offensichtlich dieser Männerpartei.

Fehlen den Piraten tatsächlich die Frauen?

Zunächst einmal haben sich die Medien schnell auf den Durschnittspiraten eingeschossen: Computerfreak, Single, Pferdeschwanz, schwarze Kleidung, zwischen 18 und 35 und natürlich männlich. Eine Nerdin gibt es nicht. Nerds, die ja laut Vorstellung der Medien den Löwenanteil der Mitglieder ausmachen, sind Kerle (die aber natürlich auch nur deshalb im Internet rumhängen, weil sie keine Frau abkriegen).

Ich kann diesen Eindruck so nicht bestätigen. Weder von den Stimmen der Piraten und -sympathisanten im Netz, noch von den Teilnehmern an der Demo (auch nicht alle Mitglieder der Partei, aber ihr sicherlich nahestehend). Im Netz stoße ich, manchmal sogar zufällig, auf Piratinnen. In der Presse lese ich im Zusammenhang mit der Partei häufig weibliche Namen und ich sehe Sprecherinnen im Fernsehen. Auch die Bilder vom Parteitag, die das Reizzentrum (Parteimitglied und über 40, Vater, mit Frau zusammenlebend, ultrakurze Haare) mitbrachte, verfestigten bei mir nicht den Eindruck, ich hätte es hier mit einem Männerkonglomerat zu tun, ein Eindruck, den mir ein CSU-Parteitag durchaus vermittelt, aber dazu komme ich gleich noch.

Das ist natürlich nur meine ganz persönliche Sicht der Dinge.

Nehmen wir einmal an, es gibt unverhältnismäßig wenig Frauen unter den Piraten. Woran könnte das liegen?

Sicherlich mitverantwortlich ist das Bild, das die Medien gezeichnet haben. Dieses Bild wirkt auf Frauen eher abstoßend, weil sie vermuten, als Mitglied oder gar Aktivistin in dieser Männerdomäne unterzugehen. Außerdem wird ihnen suggeriert, diese Partei sei nicht für sie geeignet, eben WEIL sie ja so technik- und netzorientiert ausgerichtet sein soll. Damit propagieren und verschärfen etablierte Medien genau das, was sie der Piratenpartei ankreiden und offenbaren ihre Vorurteile bzw. die ihrer Redakteure und Autoren: Frauen und Technik/Internet, das passt halt einfach nicht zusammen…

Ich habe im Laufe meines Lebens in vielen Branchen gearbeitet. Ich war medizinische Probandin, Verkäuferin, Aushilfslehrerin, Jurastudentin, Messehostess, Bäckerin, Verwaltungsgehilfin bei den Stadtwerken, Layouterin, Mediengestalterin, Kundenberaterin, Altenbetreuerin, Online-Redakteurin und Studienberaterin.

Zusätzlich zu den letzten beiden Tätigkeiten arbeite ich zur Zeit auch als Systemadministratorin für die Online-Plattform unserer Studenten und programmiere nebenher Anwendungen für den reibungslosen Ablauf innerhalb der Studienverwaltung.

Zu diesem Job kam ich über ein Praktikum in einer Softwarefirma.  In dieser Softwarefirma arbeitete außer mir nur eine weitere Frau, und zwar im Sektor eLearning.

Jedes Vourteil bestätigt?

Nein, denn ich wurde als berufstätige Frau nie so anständig und respektabel von meinen männlichen Kollegen behandelt wie in dieser Zeit in der Softwarefirma. Ich stieß nicht auf die geringsten Ressentiments bzgl. meines Geschlechts und meiner Berufswahl. Meine Arbeit wurde honoriert, man unterstützte sich gegenseitig und selbst wenn ich Hilfe brauchte, wurde mir in keinster Weise herablassend geholfen.

Diese Leute, mit denen ich da zusammengearbeitet habe, waren durch die Bank das, was die Medien als Nerds bezeichnen und sind sicher als piratennah einzustufen.

Der Eindruck, den ich in dieser Firma und später im Beruf gewann, dass Menschen, die sich beruflich und gedanklich mit dem Internet und der Technik darum herum befassen, eher intellektuell und weniger vorurteilsbelastet sind, hat sich mir auch im Privaten immer wieder bestätigt (immerhin lebe ich mit einem solchen Nerd seit über einem Jahr mehr als glücklich zusammen!).

Insofern glaube ich eher nicht, dass Frauen es in der Piratenpartei schwer haben bzw. dort nicht willkommen sind. Einen weitaus schwereren Stand hat das weibliche Geschlecht doch in Parteien wie der CDU und CSU mit ihren traditionell konservativen Werten.

Ich war einmal auf einer Versammlung eines CDU-Ortsverbandes. Als einzige Frau übrigens und ich war beruflich da, nicht aus politischem Interesse. Dabei ging es auch um das Erreichen der weiblichen potentiellen Wähler. Die Strategie sah so aus: Einen gutaussehenden Kandidaten aufstellen (Schwiegersohnbonus, da der CDU schon klar ist, dass sie bei jungen Wählerinnen nicht punkten kann), viel persönlichen Rummel veranstalten und Themen, die Frauen interessieren könnten (laut CDU ausschließlich Familie), gezielt ansprechen.

Bedauerlicherweise haben die etablierten Parteien die letzten Jahrzehnte alles daran gesetzt, das politische Interesse der Frauen auf Minimalniveau zu halten. Die meisten meiner Geschlechtsgenossinnen sind genug gestresst mit der Doppel-, Drei- und teilweise Vierfachbelastung Kind-Arbeit-Haushalt-Studium, dementsprechend ausgebrannt und froh, wenn sie ihre Ruhe haben. Damit das so bleibt, haben wir eine miese Kinderbetreuung, eine beschissene Elterngeld-Regelung, einen denkbar schlechten (Wieder-)Einstieg in das Berufsleben, wesentlich geringeren Lohn als die männlichen Kollegen und Aufstiegsmöglichkeiten nur dann, wenn wir statt Fahrstuhl die Treppe benutzen.

Um Frauen zu erreichen, muss man sie also darauf immer wieder aufmerksam machen und darf sie nicht in der Resignation versinken lassen. Piratenthemen sind gerade auch Frauenthemen! Denn wenn es um den Freiheitskampf geht, können wir Frauen durchaus unsere Erfahrungen mit einbringen, denn wir führen ihn seit mehr als einem Jahrhundert! Wenn es um Zensur und Beschneidung von Rechten geht, dann wissen wir doch ziemlich genau, was das bedeutet!

Ich sehe gerade in der Piratenpartei ein hohes Potential, sich als Frau politisch zu betätigen ohne auf männliches Protektorat, auf Verleugnung vermeintlich weiblicher Eigenschaften und auf vermeintlich männliche Tugenden setzen zu müssen.

In jedem Fall werde ich die Entwicklung weiter beobachten.

Letzte Entscheidungshilfe vor der Wahl


Heute gilt es. Auf zu den Urnen, liebe Leidensgenossen!

Wir dürfen diesmal zwischen Pest und Cholera wählen. Ich sehe daher nur drei Möglichkeiten:

1. Man entscheidet sich für die Pest und lebt die nächsten vier Jahre mit schwarzen, gelbeitrigen Beulen.

2. Man entscheidet sich für die Cholera und unterbricht das große Kotzen die nächsten vier Jahre nur, um seinen Durchfall zu pflegen.

3. Man entscheidet sich für Aspirin. Wirkt weder gegen Pest noch gegen Cholera, aber verringert wenigstens die Kopfschmerzen.

Nun ja, es gibt noch zwei weitere Möglichkeiten: Den Krankenschein durchstreichen, bunt verzieren oder vor den Augen der Wahlhelfer verbrennen/zerreißen/darauf urinieren. Oder man verschließt die Augen vor den Seuchen und verzichtet darauf, sich zu entscheiden. Schließlich sterben wir so oder so. Woran, ist dann auch schon egal. Wer so auf sein Leben und sein Wohlergehen scheißt, braucht dann aber nicht zu jammern, wenn die Beulen schmerzen oder der Magen blutet.

Achtung: Sie befinden sich im rechtsfreien Raum!


Und wieder einer, der einen Beitrag zu etwas leisten muss, von dem er vermutlich nichts versteht. Thomas de Maizier möchte, das erzählte er jedenfalls der Rheinischen Post, nun auch Verkehrsregeln für das Internet, sonst drohen der menschlichen Zivilisation gar grausliche Greulichkeiten!

„Verkehrsregeln“ ist dabei eine euphemistische Umschreibung für Regulierung. Das verstehe ich jedenfalls so, denn De Maizier bemüht einen Vergleich mit den Finanzmärkten. Dürfen wir also bald mehr Verkehrszeichen im Netz erwarten als das geplante Stoppschild vor kinderpornographischen Inhalten? Braucht es nicht auch Stoppschilder vor Communities wie StudiVZ, vor Foren und Blogs, also vor den Heimstätten der Beleidigung und Verleumdung?

Und gibt es im Gegenzug bald in Banken ein aufploppendes Stoppschild, wenn einem der Finanzberater das Blaue vom Himmel runterlügt?

Das schreckliche Internet, die unwägbare Gefahr, der rechtsfreie Raum. Zu unserem ureigensten Schutz müssen laut De Maizier endlich Kontrollmechanismen greifen, damit wir nicht „Scheußlichkeiten erleben, die jede Vorstellungskraft sprengen“.

Jeder intensive Netzbenutzer weiß natürlich, wie herrlich es sich in der Welt ohne Recht und Gesetz leben lässt. Nach Herzenslust kann man einkaufen ohne zu bezahlen. Einen Vertrag, den man im Netz abschließt, muss man natürlich niemals einhalten. Beleidigen darf man jeden und alles, Bilder kann man sich von überall her klauen, selbst ganze Texte kann man übernehmen und als seine eigenen ausgeben. Selbstverständlich ungestraft!

Jedenfalls scheinen das manche Menschen zu glauben.

Woher kommt der Mythos vom rechtsfreien Raum?

Ich weiß es nicht, aber ich vermute, er liegt begründet in der Angst vor einer unbekannten, schnell wachsenden Macht. Auch dem Buchdruck stand nicht jeder aufgeschlossen gegenüber, jedenfalls die nicht, die dadurch Aufklärung zu befürchten hatten und eigene Machtpfründe gefährdet sahen. Die Stoppschilder der Vergangenheit waren brennende Bücherhaufen und Indizes.

Gestärkt wird der Mythos zusätzlich durch zwei hochgepushte Themenkreise: Mobbing in sozialen Netzwerken und Kinderpornographie. Beides gibt es, ohne Frage. Beides gibt es auch in der realen Welt. Und Straftaten wie z.B. Beleidigung oder Bedrohung sind in beiden Welten auch jetzt schon strafbar.

Das Schlimme ist aber, dass die Geschichte vom gesetzlosen Internet geglaubt wird. Erscheckend ist daher weniger das Gerede eines sich profilierenden Politikers, sondern die Meinung mancher Bundesbürger dazu, die unreflektiert das Mantra des rechtsfreien Raumes verinnerlicht haben und runterbeten.