Das Leben stinkt


Heute morgen las ich, eine Unicef-Studie habe ergeben, dass nirgendwo Kinder ihre Zukunft so pessimistisch beurteilten wie in Deutschland. Und, man stelle sich vor, auf dem Weg zur Arbeit hat sich dieses Bild bestätigt.

Ein vollbesetzter Bus. Ich stehe zwischen jemanden mit einer „lustigen“ Mütze, die aussieht, als trüge die Person nur ein Stirnband, aus dem orange Flokatihaare quellen und zwei müffelnden Teenagern.

In der allgemeinen langweiligen Stille ertönt plötzlich die fluchende (!) Stimme eines ca. 1,5-jährigen (!!) Kindes: „Scheiße, scheiße, scheiße.“

Alles blickt irritiert auf. Erst starrt man auf das Kind im Kinderwagen (!), dann auf die Mutter. Die wirkt peinlich berührt und versucht sich an folgender Lösung: Auf den knallbunten Schulranzen eines entfernt stehenden Kindes deutend, sagt sie mit zuckersüßer Stimme: „Aber nein, Schatz. Das ist doch eine BLUME.“

Darauf das Kind, kopfschüttelnd. „Nein. Scheiße. Ist doch alles scheiße…“

Kreuzweise


Früher entbrannte in meiner Familie donnerstags stets Streit, mit Umzug nach Frankreich verschob er sich dann auf den schönen Samstag. Auslöser war Die Zeit, die bei uns hauptsächlich wegen des Kreuzworträtsels gekauft wurde.

Meine Mutter hatte perfide Strategien entwickelt, uns das Rätsel vorzuenthalten. Mit unfassbarer Garstigkeit ließ sie uns die elterliche Autorität spüren. „Mami, kann ich mal Die Zeit haben?“ – „Nein.“ – „Warum nicht?“ – „Weil ich die Mutter bin und Du die Tochter.“ Lediglich bei besonders fiesen Fragen, durften wir ab und an – unter Abdeckung des Resträtsels – einen Blick darauf werfen.

Ich lebe schon lange nicht mehr in elterlicher Obhut. Und wenn ich im Urlaub französiche Lebensart genießen möchte und ein paar Tage bei meiner Mutter verbringe, sehe ich gnädig über derlei hinweg. Was meine Mutter nämlich nicht weiß, ist, daß die Zeit jede Woche das Rätsel auch online veröffentlicht.

Familienfrieden wieder hergestellt. Und ich überlege noch, ob ich meiner Mutter den Linktipp zum Geburtstag oder zu Weihnachten schenken soll. Ich bin ja nicht so.