Aktuell führe ich eine Reihe von Bewerbungsgesprächen. Nicht, weil ich mich beruflich neu orientieren möchte, sondern weil es zum Aufgabenbereich meiner jetzigen Arbeitsstelle gehört.
Genauer gesagt wähle ich StudentInnen für ein duales Studium an unserem Studienort aus.
Nur so am Rande bemerkt: Es ist unfassbar, was für grauenerregend schlechte Bewerbungen wir erhalten. Und nicht etwa gemessen an den Noten!
Bewerbungsfotos, die in der S-Bahn schnell mit dem iPhone geknipst wurden, Anschreiben, die aus einer Zeile bestehen, als Adressat die Konkurrenz nennen oder schon erkennen lassen, dass völlig verkannt wird, was unter einem dualen Studium zu verstehen ist, Bewerbungen, die sich pauschal auf alle offenen Stellen bewerben und dann eine Antwort auf ihre E-Mail-Adresse „maria-huana666@…“ oder „hotrussiangirl@…“ erwarten. Es ist streckenweise zum Heulen.
Tatsächlich sind wir aber noch gnädig, da wir wissen, dass man das Bewerbungen Schreiben in der Schule nicht lernt. Wir erwarten natürlich in gewisser Weise schon, dass sich ein etwa 20-jähriger Mensch mit Abitur ggf. mal im Internet schlau macht, aber auch dann kann ja noch viel – seeehr viel – schief gehen. Meine Erfahrung ist denn auch, dass die überwiegende Mehrheit total erleichtert ist, wenn ich mit ihnen die Bewerbung Schritt für Schritt durchgehe und ihnen die Fehler verdeutliche.
Die Bewerbungsgespräche führen wir gruppenweise durch, ungefähr drei bis sechs Personen pro Gespräch. Im Anschluss daran gibt es noch auf Wunsch Einzelgespräche. Dass sich das zeitlich sehr ausdehnen kann, ist normal.
Ich will keine Klischees bedienen, aber tatsächlich ist es so, dass in Gruppen, die nur aus männlichen Kandidaten bestehen, das Gespräch nach max. eineinhalb Stunden beendet ist (inkl. Einzelgesprächen).
Reine Frauengruppen brauchen immer deutlich länger.
Und noch etwas ist mir aufgefallen: Wir servieren zu den Gesprächen Getränke und Süßigkeiten. In gemischten Gruppen bleiben die Süßigkeiten immer unangetastet. In reinen Frauengruppen ist der Teller am Ende des Gesprächs fast leergeräumt.
Oberflächlich betrachtet könnte man also meinen, Frauen reden typischerweise mehr als Männer. Dass das nicht richtig ist, setzt sich nicht wirklich durch. Zu schön und einfach ist das Vorurteil.
Ich denke, der Grund für die unterschiedliche Dauer ist ein anderer. In reinen Männergruppen trauen sich die Bewerber oft nicht, Fragen zu stellen. Sie haken nicht nach und sie beziehen vieles, was man ihnen vorträgt, nicht auf sich, sondern sehen es abstrakt. Frauen dagegen werden in Frauengruppen persönlicher, haben keine Scheu, ihre eigene Situation darzulegen und Probleme zu erörtern.
Gemischte Gruppen sind mMn für männliche Bewerber vorteilhafter. Sie fragen mehr und sind insgesamt kommunikativer. Bei den Frauen gibt es auf den ersten Blick keinen wesentlichen Unterschied.
Außer, dass sie sich ohne männliche Begutachtung hemmungslos mit Süßkram vollstopfen können. 😉
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