Dieses Jahr habe ich mehrere Messen „gewonnen“. Mein Arbeitgeber ist nämlich der durchaus richtigen Auffassung, dass Messepräsenz zu mehr Bewerbungen an unserer Hochschule führt. Wir sind also als Aussteller präsent und ich als Studienberaterin (und mittlerweile sogar Dozentin) darf die zukünftige Führungselite (hust) kompetent beraten.
Einige Messeerfahrung habe ich nun schon gesammelt. Mittlerweile war ich wohl auf dutzenden und kennne alle Messesymptome und Messenachwirkungen. Schmerzende Füsse, heisere Stimme, Papagei-Syndrom, Lächelstarre usw.
Zusätzlich ist mir aufgefallen, dass es interessanterweise auf jeder Messe die gleichen nervtötenden Messetypen gibt, also die Besucher, die einen zur Weißglut treiben, zu denen man aber trotzdem nett sein muss:
Grabbler und Grabblerin
Einziger Zweck des Messebesuchs: So viele Messegoodies einsacken, wie nur möglich.
Meist preschen sie aus einem Besucherpulk hervor und grabschen zielsicher nach einem Kugelschreiber, Süßigkeiten oder sonstigem. Mit ihrer Beute gehen sie ein paar Schritte weiter, bleiben stehen und blicken dann verstohlen über die Schulter zum Standpersonal. Manche gucken schnell weg, wenn man den Blick erwidert, manche erklären mit trotzigem Selbstbewußtsein „ich darf doch“.
Der Seelenverkäufer
Verkauft für einen popeligen 30-Cent-Kuli seine Seele. Da er noch einen Restanstand besitzt, grabscht er nicht einfach danach, sondern tut erstmal so, als hätte er Interesse an der Dientsleistung, die man anbietet. Meist greift er nach einem Prospekt („ich schau nur“), den er aufblättert, während seine Augen zu den hübschen Schlüsselbändchen oder Feuerzeugen wandern. Manchmal stellt er trotz kompletten Desinteresse auch Fragen („und was machen Sie so?“). Wenn er das Gefühl hat, seine Schuldigkeit getan zu haben, nimmt er freudig sein Geschenk in Empfang und verschwindet zügig zum nächsten Stand.
Der Lebensgeschichtenerzähler
Meist ältere Männer, denen die Einsamkeit ins Gesicht geschrieben steht. Wandern von Stand zu Stand, beginnen mit angeblich interessierten Fragen, deren Beantwortung sie gar nicht abwarten und ergreifen jede Gelegenheit, um eine Anekdote aus ihrem langen Leben zu erzählen.
Der Besserwisser
Der Besserwisser besucht Messen nur deshalb, um sein verkümmertes Selbstwertgefühl zu steigern. Er spricht ausschließlich weibliches Messepersonal an und ignoriert jeden Einwand. Er hört nur sich gerne reden. Dabei weiß er alles besser als das Standpersonal. Die freundliche Dame am Stand ist BWL-Professorin? Der Besserwisser erklärt ihr gerne deren Fachgebiet, damit sie noch etwas dazulernen kann.
Eltern
a. Die, die ihren Nachwuchs zum sorglosen Entwenden von Süßigkeiten ohne Anstand und Höflichkeit erzogen haben. Schicken ihre kleinen professionellen Grabbler zum Goodies-Klauen. Manch einer verschiebt die Erziehungsgewalt auf das Standpersonal: „Da wird der nette Herr aber gleich mit dir schimpfen, Lea-Sophie!“
b. Vater oder eine Mutter, die in Anwesenheit ihres fast erwachsenen Kindes Fragen zu dessen Zukunft stellen ohne das Kind zu Wort kommen zu lassen.
Jugendliche
a. männliche, pickelige Justin-Bieber-Klone, denen der Mund bis auf einem Fastfood-Einzugsschlitz zugewachsen ist. Beginnen bei direkter Ansprache zu nuscheln und werden rot.
b. weibliche, stehen auf Modestudiengänge, die sie für hip halten und mit denen sie bestimmte Vorstellungen verbinden (meist aus Dokusoaps). Häufig fragwürdiges Äußeres für eine Studienmesse (Ausschnitt – bauchfrei – Slip sichtbar oder abwesend – Highheels).
Hochbegabte
Halten sich jedenfalls dafür, bleiben den Nachweis allerdings schuldig. „Ich bin in Mathe hochbegabt, sieht man ja an meinen Noten, überall Fünfen!“ (Aufgrund von Unterforderung selbstverständlich!)
Ignorierer
Beäugen den Messestand intensiv, schlagen jeden Prospekt auf, erklären den Inhalt (häufig völlig falsch) der Begleitperson. Für Korrektur oder gar Beratung überhaupt nicht zu haben. Blicken durch einen hindurch oder werfen einen Blick auf das Messepersonal, den man sonst nur Schleimpfützen, Riesenspinnen, Fäkalien oder sonstigem Ekelzeugs widmet.
Messeveranstalter
Flitzen über die Messe, halten kurz an um die Hand zu schütteln und zu erklären, wie supidupitoll die Messe doch sei. Kennen einen meist schon, weshalb man auch vor Umarmungen und Küsschen nicht zwangsläufig sicher sein kann.
Aussteller
a. männlich, tragen Anzüge, stehen meist wichtig in der Gegend rum, während das weibliche Standpersonal Theken zusammenschraubt und tonnenschwere Kartons mit Flyern zum Stand schleppt
b. weiblich: sofern attraktiv, mit hohen Schuhen und kurzen Röckchen. Haben keinen blassen Schimmer vom Produkt, sind für die Messe gebucht und müssen nur gut aussehen.
Dummvolk
Beweisen, dass der Spruch „Es gibt keine dummen Fragen, nur dumme Antworten“ von jemanden stammen muss, der ausschließlich in hochintellektuellen Kreisen verkehrt. Reizen einen stets zum lauten Losprusten, das man sich allerdings mit höchster Selbstdisziplin aus Gründen der Höflichkeit verkneift. (Daher übrigens der Post-Messe-Nacken-Muskelkater!) Dummvolk ist sich der eigenen Dummheit nicht bewußt, weshalb man schlimmstenfalls in eine Endlosschleife aus dummen Fragen gerät, aus der man nur mühsam wieder aussteigen kann.
Und schließlich: Igors
Aus Gottes schlechter Laune heraus geschaffen und von der Natur mit optischer Vielfalt bedacht. Humpeln sabbernd und stinkend über die Messe, meist ziellos, grunzen vor sich hin, grabbeln aber niemals! Möglicherweise erwachsene Hochbegabte (siehe ebenda).