Die Dieter-Bohlen-Show


Ich hinke, Leute. Und zwar hinterher. Ich komme die letzten Tage gar nicht dazu, meine Notizen abzuarbeiten und in Blogpostings zu verwandeln. In meinem Pseudo-Moleskin (namens Leuchtturm) häufen sich momentan Einträge wie „siehe 26. Januar Cellohoden“ oder „2.1. Genitaloperation“. Ich hoffe, ich lasse es niemals offen auf meinem Schreibtisch liegen. Neugierige Kollegen könnten das womöglich mißverstehen…

Und so kommt es nun, daß mein Schmähbeitrag zum Abschluß der DSDS-Castings erst heute erscheinen kann. Tja.

Ich habe mir selbstverständlich, nachdem ich es samstags ja vergessen hatte, am Sonntag nachmittag die Wiederholung angeguckt. Ich denke, diese letzte Castingsendung (es geht ja nun in den Recall) war der beste Beweis dafür, wie einfallslos und weit entfernt vom Ursprung das Format geworden ist. Der Titel Deutschland sucht den Superstar ist endgültig zur Realsatire mutiert.

120 Personen schaffen es in den Recall. D.h. es gibt 120 Männer und Frauen, Mädchen und Jungs, die doch einigermaßen gesanglich überzeugt haben müssen. Von diesen 120 hat man in den Castingshows kaum etwas gesehen. Die allermeisten gezeigten „Talente“ waren solche, die von der Jury vorgeführt wurden. Dabei ist mittlerweile bekannt, daß alle Teilnehmer vor einer Vorjury singen müssen, bevor sie überhaupt zum Triumvirat vorgelassen werden. Ein naiver Mensch, der den Titel der Sendung womöglich ansatzweise für glaubwürdig hält, könnte jetzt denken, daß schon da die Spreu vom Weizen getrennt wird.

Das passiert natürlich nicht. Stattdessen wird den Versagern auch noch suggeriert, sie könnten etwas. Ein Teil der Loser kommt zwar nicht bis zum Titanen und seinen Lakaien, wird aber trotzdem lächerlich gemacht (z.B. im Songraten). Besonders hervorstechende Schlachtopfer, womöglich noch mit quotentauglichem Konfliktpotential, dürfen dann aber doch die Bühne für Bohlens selbstdarstellerische Kalauer geben.

Was in dieser Staffel und gerade in der letzten Sendung aber am peinlichsten und nervigsten war, daß ist das Zeitkontingent, das für die völlig uninteressante und dem Format widersprechende Darstellung der Jury draufging. Was interessiert es, welches Jurymitglied welchen Kaffee trinkt, wer sich gerade am Kopf kratzt oder nachgeschminkt wird? Gab es nicht mehr so viele Bescheuerte, die von sich denken, singen zu können? Hat sich womöglich selbst in den niedersten Intellektebenen rumgesprochen, daß DSDS-Publicity nicht unbeding GUTE Publicity bedeuten muß, sondern Telefonterror, Schulhofmobbing und „Depp der Nation“ bedeuten KANN?

Das Format verliert an Format. Und das, obwohl es ohnehin kaum welches hatte. Und die Vorschau auf den Recall läßt böses erahnen. Bungee-Jumping-Sänger und Schlangen. Auweia.

Und dann war Schluß im Urwald


Kann es sein, daß das Dschungelcamp vor dem Aus steht? Keine Skandale, keine großartigen Lästereien, schlafende, träge Campbewohner, Dschungelprüfungen im Vorbeigehen und ratlose Moderatoren.

Was ist passiert?

Schocken mit Ekel-, mit Trash-TV, das war das Konzept. Manipulieren, Vorführen, Entblößen die Methode. Vor drei, vier Jahren hat das gut geklappt. Damals war diese Art, Fernsehen zu machen, wieder ein Schritt nach unten, ein weiteres Herablassen in die Kloake der wertfreien Unterhaltung. Wieder wurde eine Schwelle, eine Grenze überschritten und etwas gezeigt, was es noch nie zuvor gab. Das IST ein Erfolgsrezept. War es immer. Nichts ist so verführerisch wie der (vermeintliche) Skandal.

Wir erinnern uns:

  • Eine nackte Frau (im Nachkriegsdeutschland) auf der Leinwand: 1951
  • Selbstverunstaltung: 1987
  • Ein Profi-Furzer im TV: 1997
  • Eine Live-Cam in Dusche und Toilette: 2000
  • Live-Sex im TV: 2000
  • Die erste Live-Geburt im TV: 2005
  • Live-Tod im TV: 2006

Alles Grenzüberschreitungen mit weitreichenden Folgen. Wurde bei Big Brother 1 noch diskutiert, ob man den Kandidaten nicht verbieten sollte, in den Container einzuziehen, hat man beim Dschungelcamp 1 noch laut über Manipulation und Darstellung diskutiert, kräht da heute kein Hahn mehr danach.

Der Zuschauer ist abgestumpft, der Kandidat gelangweilt. Kein Wunder also, daß die „prominenten“ Campbewohner und die weniger prominenten Containerinsassen keinen Hund mehr vor den Ofen locken können. Für beide Seiten gibt es keine Überraschungen mehr.

Und wieder wird es also etwas geben müssen, was den einschlafenden Zuschauer wachrüttelt. Noch mehr muß die Menschenwürde degradiert werden, damit man wieder hinsieht.

Anspruch wird aus dem Fernsehprogramm verbannt, zu anstrengend, zu denkintensiv. Konsumenten, die denken, wer will die schon? Der öffentlich-rechtliche Auftrag wird mit Volksmusik unterspült und von Thomas Gottschalk anzüglich weggekaspert und die privaten möchten Kohle sehen. Die Politik reibt sich die Hände angesichts der manipulierbaren hirnlosen Masse und Unternehmen erfreuen sich daran, daß der Plebs auch jeden Müll erwirbt, wenn man ihn nur zwischen Super-Bohlen und Unschlagbar-Raab werbewirksam plaziert.

Das Fernsehen ist tot. Es lebe das Fernsehen.