Warum Piraten keine Frauen haben


Seit geraumer Zeit schon verfolge ich die Entwicklung der Piratenpartei.  Mein Interesse und meine Sympathie kann man sicher aus einzelnen Artikeln herauslesen, die hier erschienen sind. Doch ich bin kein Mitglied. Noch nicht jedenfalls. Dabei werde gerade ich, wenn man den Medien Glauben schenken darf, von den Piraten gesucht. Denn ich bin eine Frau, und Frauen fehlen offensichtlich dieser Männerpartei.

Fehlen den Piraten tatsächlich die Frauen?

Zunächst einmal haben sich die Medien schnell auf den Durschnittspiraten eingeschossen: Computerfreak, Single, Pferdeschwanz, schwarze Kleidung, zwischen 18 und 35 und natürlich männlich. Eine Nerdin gibt es nicht. Nerds, die ja laut Vorstellung der Medien den Löwenanteil der Mitglieder ausmachen, sind Kerle (die aber natürlich auch nur deshalb im Internet rumhängen, weil sie keine Frau abkriegen).

Ich kann diesen Eindruck so nicht bestätigen. Weder von den Stimmen der Piraten und -sympathisanten im Netz, noch von den Teilnehmern an der Demo (auch nicht alle Mitglieder der Partei, aber ihr sicherlich nahestehend). Im Netz stoße ich, manchmal sogar zufällig, auf Piratinnen. In der Presse lese ich im Zusammenhang mit der Partei häufig weibliche Namen und ich sehe Sprecherinnen im Fernsehen. Auch die Bilder vom Parteitag, die das Reizzentrum (Parteimitglied und über 40, Vater, mit Frau zusammenlebend, ultrakurze Haare) mitbrachte, verfestigten bei mir nicht den Eindruck, ich hätte es hier mit einem Männerkonglomerat zu tun, ein Eindruck, den mir ein CSU-Parteitag durchaus vermittelt, aber dazu komme ich gleich noch.

Das ist natürlich nur meine ganz persönliche Sicht der Dinge.

Nehmen wir einmal an, es gibt unverhältnismäßig wenig Frauen unter den Piraten. Woran könnte das liegen?

Sicherlich mitverantwortlich ist das Bild, das die Medien gezeichnet haben. Dieses Bild wirkt auf Frauen eher abstoßend, weil sie vermuten, als Mitglied oder gar Aktivistin in dieser Männerdomäne unterzugehen. Außerdem wird ihnen suggeriert, diese Partei sei nicht für sie geeignet, eben WEIL sie ja so technik- und netzorientiert ausgerichtet sein soll. Damit propagieren und verschärfen etablierte Medien genau das, was sie der Piratenpartei ankreiden und offenbaren ihre Vorurteile bzw. die ihrer Redakteure und Autoren: Frauen und Technik/Internet, das passt halt einfach nicht zusammen…

Ich habe im Laufe meines Lebens in vielen Branchen gearbeitet. Ich war medizinische Probandin, Verkäuferin, Aushilfslehrerin, Jurastudentin, Messehostess, Bäckerin, Verwaltungsgehilfin bei den Stadtwerken, Layouterin, Mediengestalterin, Kundenberaterin, Altenbetreuerin, Online-Redakteurin und Studienberaterin.

Zusätzlich zu den letzten beiden Tätigkeiten arbeite ich zur Zeit auch als Systemadministratorin für die Online-Plattform unserer Studenten und programmiere nebenher Anwendungen für den reibungslosen Ablauf innerhalb der Studienverwaltung.

Zu diesem Job kam ich über ein Praktikum in einer Softwarefirma.  In dieser Softwarefirma arbeitete außer mir nur eine weitere Frau, und zwar im Sektor eLearning.

Jedes Vourteil bestätigt?

Nein, denn ich wurde als berufstätige Frau nie so anständig und respektabel von meinen männlichen Kollegen behandelt wie in dieser Zeit in der Softwarefirma. Ich stieß nicht auf die geringsten Ressentiments bzgl. meines Geschlechts und meiner Berufswahl. Meine Arbeit wurde honoriert, man unterstützte sich gegenseitig und selbst wenn ich Hilfe brauchte, wurde mir in keinster Weise herablassend geholfen.

Diese Leute, mit denen ich da zusammengearbeitet habe, waren durch die Bank das, was die Medien als Nerds bezeichnen und sind sicher als piratennah einzustufen.

Der Eindruck, den ich in dieser Firma und später im Beruf gewann, dass Menschen, die sich beruflich und gedanklich mit dem Internet und der Technik darum herum befassen, eher intellektuell und weniger vorurteilsbelastet sind, hat sich mir auch im Privaten immer wieder bestätigt (immerhin lebe ich mit einem solchen Nerd seit über einem Jahr mehr als glücklich zusammen!).

Insofern glaube ich eher nicht, dass Frauen es in der Piratenpartei schwer haben bzw. dort nicht willkommen sind. Einen weitaus schwereren Stand hat das weibliche Geschlecht doch in Parteien wie der CDU und CSU mit ihren traditionell konservativen Werten.

Ich war einmal auf einer Versammlung eines CDU-Ortsverbandes. Als einzige Frau übrigens und ich war beruflich da, nicht aus politischem Interesse. Dabei ging es auch um das Erreichen der weiblichen potentiellen Wähler. Die Strategie sah so aus: Einen gutaussehenden Kandidaten aufstellen (Schwiegersohnbonus, da der CDU schon klar ist, dass sie bei jungen Wählerinnen nicht punkten kann), viel persönlichen Rummel veranstalten und Themen, die Frauen interessieren könnten (laut CDU ausschließlich Familie), gezielt ansprechen.

Bedauerlicherweise haben die etablierten Parteien die letzten Jahrzehnte alles daran gesetzt, das politische Interesse der Frauen auf Minimalniveau zu halten. Die meisten meiner Geschlechtsgenossinnen sind genug gestresst mit der Doppel-, Drei- und teilweise Vierfachbelastung Kind-Arbeit-Haushalt-Studium, dementsprechend ausgebrannt und froh, wenn sie ihre Ruhe haben. Damit das so bleibt, haben wir eine miese Kinderbetreuung, eine beschissene Elterngeld-Regelung, einen denkbar schlechten (Wieder-)Einstieg in das Berufsleben, wesentlich geringeren Lohn als die männlichen Kollegen und Aufstiegsmöglichkeiten nur dann, wenn wir statt Fahrstuhl die Treppe benutzen.

Um Frauen zu erreichen, muss man sie also darauf immer wieder aufmerksam machen und darf sie nicht in der Resignation versinken lassen. Piratenthemen sind gerade auch Frauenthemen! Denn wenn es um den Freiheitskampf geht, können wir Frauen durchaus unsere Erfahrungen mit einbringen, denn wir führen ihn seit mehr als einem Jahrhundert! Wenn es um Zensur und Beschneidung von Rechten geht, dann wissen wir doch ziemlich genau, was das bedeutet!

Ich sehe gerade in der Piratenpartei ein hohes Potential, sich als Frau politisch zu betätigen ohne auf männliches Protektorat, auf Verleugnung vermeintlich weiblicher Eigenschaften und auf vermeintlich männliche Tugenden setzen zu müssen.

In jedem Fall werde ich die Entwicklung weiter beobachten.

Alte Vorwürfe gegen Jörg Tauss – neu aufgelegt


Gestern las ich so im Vorübergehen einen Artikel auf Spiegel online über alte/neue Vorwürfe gegen Ex-SPDler und Neu-Pirat Jörg Tauss.

Es sei weit mehr belastendes Material gefunden als bisher bekannt. In üblicher Spiegel-Manier wurde das Thema reißerisch-boulevardistisch aufgemotzt. Vorbildlich z.B. dieser Absatz:

„Der Bericht offenbart zahlreiche Widersprüche zu den bisherigen Erklärungsversuchen des Parlamentariers. Tauss hatte stets versichert, das einschlägige Material aus rein dienstlichem Interesse erworben zu haben. Die Fahnder halten das für eine Schutzbehauptung.“

Weiter unten im Artikel wird dann erklärt, die Ermittler hätten keine Belege gefunden, die Tauss Erklärung widerlegt hätten. Nur wird dieser Sachverhalt so umformuliert, dass daraus folgendes wird:

„Die Ermittler fanden allerdings keinerlei Belege dafür, dass die einschlägigen Dateien im Besitz des Medienexperten aus Hintergrundrecherchen für seine Abgeordnetentätigkeit stammen. Die Fahnder bezweifeln, dass Tauss seine angeblichen Rechercheergebnisse je publizieren wollte.

Hätte ich in meinem Jurastudium so argumentiert und Vermutungen als Beweis hingestellt, wäre ich wahrscheinlich schon durch die erste Klausur geflogen. Und ich frage mich mittlerweile, wie lange es noch dauert, bis Spon in Bildmanier aus Tauss ein „Dreckschwein“ macht.

Aber, bis dahin alles normal. Wir befinden uns im Wahlkampf, die Piratenpartei ist etablierten Parteien ein Dorn im Auge und der Spiegel lässt sich ja mittlerweile vor jeden dreckigen Karren spannen. Gedanklich habe ich den Artikel unter „belanglos“ abgelegt, wie das meiste Online-Gewäsch des ehemaligen Nachrichenmagazins.

Soeben, bei meinem morgendlichen Kaffee, stöbere ich in meinem Feedreader und stoße auf einen Artikel bei heise online.

Tauss soll Hunderte kinderpornographische Bilder und Dutzende Videos besessen haben

Ich wusste ja schon, worum es ging, überflog aber dennoch den Artikel. Atemlos wird dort der Spon-Post nacherzählt. Nur um dann ganz unten Luft zu holen, tief auszuatmen und die Stellungnahme des Anwalts zu zitieren, die den aufgebauschten Vorwurf deutlich abmildert.

Beim Lesen musste ich an ein schreckhaftes Hühnchen denken: Oh mein Gott, am Ende sind die Vorwürfe berechtigt und dann stehen wir doof da, weil wir doch bisher eher wohlwollend denn objektiv waren…

Ja, vielleicht eweisen sich die Vorwürfe als richtig. Vielleicht aber auch nicht. Für Herrn Tauss spricht sein Einsatz gegen das Gesetz für Internetsperren kinderpornographischer Seiten (denn da stand der Vorwurf ja schon im Raum) und der Eintritt in die Piratenpartei, die sich für die Löschung kinderpornographischer Seiten einsetzen.

Gegen ihn spricht das gefundene Material und die etwas selbstherrliche Begründung (er wolle sich durch die Sprengung eines Kipo-Ringes ins Gespräch bringen).

Er muss einem nicht sympathisch sein, der Herr Tauss. Doch bis zu einer Verurteilung (und bis jetzt ist er noch nicht einmal angeklagt!) gilt er, wie sich das für einen Rechtsstaat gehört, als unschuldig. Vorverurteilungen (und Sippenhaft), geschürt durch die Medien, sind mit das Widerlichste, was es an Krebsgeschwüren in einem Rechtsstaat gibt!

Wobei ich mich, wenn ich manche Kommentare bei heise online zu besagtem Artikel lese, schön langsam frage, ob es eigentlich noch Sinn macht, für Freiheit und Demokratie zu kämpfen. So viele Bundesbürger scheinen nicht wertzuschätzen, was da eigentlich Großartiges am 23.5.1949 in Kraft trat.

Und wenn man dann noch Sätze wie „in der DDR ging’s uns doch eigentlich gut“ oder „ich geh nicht wählen, bringt ja doch nichts“ hört, kommt man schon arg ins Grübeln.

Abwrackprämie war gestern – Schweinegrippe ist heute


Um die Konjunktur zu stärken und die Bundesrepublik Deutschland sicher und nahezu verlustlos durch die Wirtschaftskrise zu führen, wurden in diesem Jahr innovative Wege beschritten.

In Testphasen wurde vorab herausgefunden, dass gezielt gesteuerte mediale Aufklärung unterschwellig ein beständiges Gefühl der Bedrohung anwachsen lässt, so dass heute kaum außer Frage steht, dass sich jeder Bundesbürger bewusst ist, jederzeit einem Terroranschlag zum Opfer fallen zu können. Positiv zu bewerten auch das dadurch anwachsende Misstrauen gegenüber suspekten Religionsgemeinschaften und Menschen anderer Hautfarbe sowie nicht konform wirkendem Kleidungsstil.

Als wünschenswerte Begleiterscheinung steigerte sich auch das Unbehagen gegenüber Andersdenkenden, die noch nicht den Terroristen zuzordnen sind, aber aufgrund einer hervorragenden und erfolgreichen Kampagne der Bundesregierung als pädophile potentielle Amokläufer entlarvt wurden.

Mit minimalem Aufwand wurde nun kürzlich ein Grippevirus in die Bundesrepublik importiert. Marketingstrategen und -kreative starteten mit breiter Unterstützung der Medien sofort eine weit angelegte Kampagne, um die Krankheit erfolgreich zu propagieren. Namen wie „Grippe“, „Grippeerreger xy“, „Südamerikanische Grippe“, „Mexiko Grippe“ usw. waren zu positiv behaftet bzw. wirkten nicht massenwirksam, weshalb man den kreativen Geist bemühte und so nach kurzer Zeit bereits den idealen Namen gefunden hatte: „Schweinegrippe“. Im Bundle mit „Pandemie“ und „Globaler Seuche“ war die ideale Komposition gefunden.

Wirtschafts- und Politikexperten hatten vorab der Bundesregierung die positiven Effekte einer Massenphantominfizierung in einer fundierten Expertise vorgelegt. U.a. seien diese:

  • Subventionierung der Pharmaindustrie durch sprunghaften Anstieg der Verkäufe von Grippemitteln
  • Subventionierung der Pharmaindurstrie durch Erstellung eines Impfstoffs
  • Breite Unterstüztung im laufenden Wahlkampf durch großzügige Zuwendungen der Pharmaindustrie
  • Kostenlose Massenerprobung des Impfstoffes an der Bevölkerung
  • Dadurch Schaffung von mehr Arbeitsplätzen durch eine Fehlerrate der Impfung von 10%
  • Langfristig positive Auswirkung auf den Arbeitsmarkt durch Spätfolgen
  • Subventionierung der Krankenkassen für das finanzielle Mehraufkommen durch Massenimpfungen
  • Breite Unterstützung im laufenden Wahlkampf durch die Krankenkassen

Ein weiterer positiver Aspekt ist die Wahrnehmungsverschiebung der Bevölkerung. Inhaltslose Parteiprogramme und unhaltbare Wahlversprechen stehen kaum im Fokus der Aufmerksamkeit.

Die Kampagne ließe sich zudem erfolgreich ausbauen. So könne man beispielsweise im Rahmen einer Massenimpfung Datenerfassung betreiben und gegebenenfalls den Schweinegrippevirus durch Medienkampagnen als ein Werk terroristischer Islamisten erscheinen lassen. Erfolgversprechend könne auch die gezielte Infizierung subversiver Elemente sein, eventuell bereits zum anstehenden Bundestagswahltermin, um den Urnengang freiheitlich-demokratischer Terroristen zu unterbinden.

Hessenwahl: Warum man über Wahlpflicht nachdenken sollte


Das schöne Land Hessen, bekannt für Ebbelwoi und Badesalz, hat gestern gewählt. Das Ergebnis ist mittlerweile bekannt. Schwarz-Gelb hat die Mehrheit, der Koch freut sich, TSG kann auch zufrieden sein, hat er doch sein Bestes gegeben.

Nur warum die Ypsilanti gestern zurückgetreten ist, verstehe ich nicht. Also, den Zeitpunkt verstehe ich nicht. Den Rücktritt schon.

Daß ich eine Verfechterin der Wahlpflicht bin, das wissen nur wenige. Wie oft diskutiert man schon über so ein Thema? Daß die Hessen-Wahl aber ein wunderbarer Aufhänger für genau dieses Thema ist, das seht Ihr gleich.

Spielen wir ein bißchen mit Zahlen:

In Hessen gibt es 4,4 Millionen Wahlberechtigte. Das Land selbst hat ca. 6,1 Millionen Einwohner. Die Wahlbeteiligung lag bei 61,1%. Gewählt haben also 2.688.400 Hessen.

Gültige Wahlzettel gab es 96,2%. Die Stimmverteilung sieht so aus:

wahl

Von den 2.688.400 Hessen haben also 1.000.085 für die CDU gestimmt, 435.521 für die FDP, 637.151 für die SPD, 368.311 für die Grünen und 145.174 für die LINKE. (Ich habe die Zahlen gerundet.)

Das heißt, die (wahrscheinlich) regierenden Parteien wurden von zusammen 1.435.605 Hessen für diese Aufgabe als tauglich befunden oder – anders gesagt, von etwa einem Drittel der Wahlberechtigten bzw. einem Viertel der Landesbevölkerung. Ich finde das sehr bedenklich.

Warum sind die Wähler so wahlfaul? Ist es das Gefühl „es ändert sich ja sowieso nichts“? Ist es dann nicht reichlich kontraproduktiv, NICHT zur Wahl zu gehen? Wenn man so sehr mit allen Parteien/Politikern unzufrieden ist, warum dann nicht den Stimmzettel ungültig machen? Reicht, wenn man ihn durchstreicht oder einen großen Totenkopf darauf malt. Gäbe es einen hohen Prozentsatz ungültiger Wahlzettel, hätte auch das eine Außenwirkung, oder nicht?

Eine Wahlpflicht könnte dazu führen, daß den Bürgern wieder bewußt wird, das sie der wesentliche Bestandteil dieser Demokratie sind. Demokratie ist nichts, was uns geschenkt oder aufgezwungen wurde. Es gab Zeiten, da wurde sehr darum gekämpft. Und dieses erkämpfte Recht verpflichtet auch.

Darüber sollte man durchaus einmal nachdenken.