Saure Limonade


Der Bionade-Hype ging an mir vorüber. Als das Getränk zum In- und Lifestylegesöff avancierte, war ich Hartz-IV-Empfängerin und da war selbst Leitungswasser Luxus. Den Aufstieg habe ich aus Interesse allerdings beobachtet. Die Geschichte war einfach so wunderbar motivierend – gerade wenn man sich am Bodensatz der Gesellschaft befindet und unter dem Schmarotzerimage zu leiden hat.

Pilcher hätte es nicht schöner schreiben können:

Ein insolventes Unternehmen in idyllischer Landschaft, gefährdete Arbeitsplätze mit zahlreichen Einzelschicksalen, eine innovative Erfindung und schließlich die Rettung der Brauerei, Happy End.

Ja, davon träumt man als Hartz-IV-Empfänger nachts. (Tagsüber verraucht und versäuft man natürlich das Gnadengeld der Gesellschaft). Man denkt: Mensch, da hat es einer geschafft. Vielleicht schaffe ich es ja auch aus dem Sumpf… Schließlich wird einem stets vermittelt, dass man alles erreichen kann, wenn man nur will (was im Umkehrschluss natürlich bedeutet, dass das „asoziale Pack“ einfach nicht will, und diese wohlwollende Volksmeinung bekommt man durchaus täglich zu spüren).

Als ich dann wieder Arbeit und Geld hatte und man mich mit „sehr geehrte Frau Atomality“ ansprach, mir freundlich die Hand schüttelte und respektvollen Umgang mit mir pflegte, da trank ich dann endlich einmal das teure Gesöff. Geschmeckt hat es mir nicht. Aber das spielt keine Rolle. Wenn man damit eine kleine Brauerei unterstützt, die fast insolvent gegangen wäre! Die Einzelschicksale! Die innovative Erfindung! Und nach öko klingt es auch!

Heute denke ich, wenn ich die Neuigkeiten in Sachen Bionade lese, man sollte sich seine Vorbilder nicht in solchen Aufsteigern suchen. Offensichtlich mutiert man nicht zum Besseren, sobald viel Geld in die Kasse gespült wird. Da wurde der Preis einer Flasche um 30 Prozent erhöht und sich anschließend gewundert, warum der Absatz dramatisch sank. Komisch, nicht, wo diese Preispolitik bei den Energieversogern doch so gut klappt? Unverständnis machte sich breit und man bedauerte. Weniger die Preiserhöhung, mehr das Urteil der Verbraucher, man sei raffgierig.

Plötzlich war Bionade auch gar nicht mehr so gesund. Viel Zucker schadete dem Öko-Image. Und als hätte man nicht schon genug bewiesen, dass man auch ein aufstrebendes Erfolgsunternehmen – offensichtlich in Unkenntnis der eigenen Zielgruppe – bravourös in den Sand setzen kann, verspielt man auch noch den letzten Rest an Sympathie, indem man das ehemalige Underdogunternehmen von einem Großkonzern fast ganz verschlucken lässt. Ist nichts mehr mit kleiner Brauerei, Rettung vor Insolvenz, Einzelschicksale… Aber was spielt das für eine Rolle. Man hat sich gesundgestoßen, man ist Mittelschicht, man ist Arbeitgeber, man ist die Öko-Fraktion der FDP!

Nein, man sollte sich seine Vorbilder wirklich nicht in der Wirtschaft suchen.

Kochen in der Krise (2): Consommé chaud à la pomme de terre


kartoffelsuppeEine kräftige Suppe erwärmt das Herz und das Gemüt. Gerade in der kalten Jahreszeit ein wahres Schmankerl! Auch als Armer müssen Sie auf diesen Genuss nicht verzichten. Wie Sie preiswert ein magenfüllendes Gericht zubereiten, erfahren Sie im folgenden. Viel Vergnügen beim Nachkochen.

Hier die Zutatenliste:

Kartoffeln
Gekörnte Gemüsebrühe
Pfeffer

Grundrezept Consommé chaud à la pomme de terre:

Wasser kochen, Brühe zugeben. In Scheiben geschnittene Kartoffeln beigeben und mindestens 20 Minuten köcheln lassen. Mit Pfeffer abschmecken. Und bon appétit.

Gourmetversion Consommé chaud à la pomme de terre avec sel d’ail:

Fügen Sie eine Prise Knoblauchsalz zu. Und bon appétit.

Version Fit und Vital:

Wie Grundrezept. Jedoch eine in kleine Würfel geschnittene Karotte zugeben. Merke: Karotten enthalten Provitamin A und sorgen damit für den gesunden Durchblick. Damit Sie auch in Zukunft ihren Hartz-IV-Berechnungsbogen korrekt ausfüllen können. Und bon appétit.

Version Für Gäste:

Haben Sie Gäste zum Dinner geladen? Ergänzen Sie die Gourmetvariante wie folgt: Bestreuen Sie die angerichtete Suppe mit gefriergetrockneter Petersilie. Und bon appétit.

(Foto via flickr.com – talekinker)

Kochen in der Krise (1): Pasta con pomodori ammaccati


pastaWir beginnen mit einem recht einfachen Rezept, das sicherlich jedem Hartz-IV-Hasen altbekannt und geläufig ist, den Jung-, und Neu-Armen aber womöglich in dieser Form und Variante noch nicht begegnet ist.

Hier die Zutatenliste:

Nudeln
Tomatenmark
Salz

Grundrezept Pasta con pomodori ammaccati:

Die Nudeln werden in heißem Wasser weichgekocht. In einer kleinen Schüssel mischt man 4 Eßl. Tomatenmark mit 8 Eßl. Wasser und erwärmt die Sauce. Mit Salz abschmecken. Und bon appétit.

Gourmetversion Pasta con pomodori ammaccati ed aromatizzati:

Zur Tomatensauce eine Prise Oregano geben. Und bon appétit.

Version Fit und Vital:

Wie Grundrezept. Jedoch die Tomatensauce wie folgt zubereiten: Ein kleine Zwiebel schälen und in heißem Öl glasig anschwitzen. Tomatenmark, Wasser und Salz zugeben und kurz aufkochen lassen. Merke: Zwiebeln enthalten Vitamin C und können so vor Skorbut und anderen Erkrankungen schützen. Und bon appétit.

Version Für Gäste:

Haben Sie Gäste zum Dinner geladen? Ergänzen Sie die Gourmetvariante wie folgt: Richten Sie die Pasta mit der Saucee auf Tellern an und überstreuen Sie sie mit in Streifen geschnittenen Schmelzkäsescheiben. Und bon appétit.

(Foto via flickr.com – mullenkedheim)

So schmeckt die Konjunkturkrise!


Gestern wurde uns in den Nachrichten betroffen mitgeteilt, daß die Konjunkturkrise nun den Arbeitsmarkt erfasst hätte und es mehr Arbeitslose gäbe. Nun, das ist jetzt nicht so überraschend. Harte Zeiten wurden uns ja schon angekündigt und die ersten Auswirkungen machen sich nun bemerkbar.

Wir sollten uns also auf drohende Armut einstellen. Du, ich, wir alle, die wir noch Arbeit haben, lümmeln auf dem Schleudersitz und können morgen schon in die Arbeitslosigkeit katapultiert werden. Bis sich die Konjunktur dann erholt, können Jahre vergehen. Man denke nur, wie lange es gedauert hat, bis wir Arbeitnehmer etwas vom Aufschwung abbekommen haben. Genau! Das ist nie passiert, weshalb es tatsächlich dringend erforderlich ist, den Tatsachen ins Auge zu sehen. Die Mühlen mahlen langsam. Seeehr langsam. Und das heißt nichts anderes als: Arbeitslos = Hartz-IV, denn da rutscht man schneller rein als man denkt. Und Hartz-IV wiederum bedeutet „so-weit-unten-tiefer-geht-es-kaum“.

Ich spreche aus Erfahrung und möchte gerne meinen Beitrag zur Verbesserung der allgemeinen, dramatischen Lage leisten. In loser Folge werden hier daher Kochrezepte erscheinen, die ein Überleben auch in Zeiten der Armut gewährleisten.

Viel Vergnügen beim Nachkochen. Und bon appétit.

Ein Fest in Würde


Ich lese immer und immer wieder, wie angenervt viele von der Weihnachtszeit sind. Es tut mir wirklich leid, wenn man so empfindet. Das liegt wohl daran, daß die meisten Weihnachten an den Geschenken festmachen, vielleicht auch die Traditionen mit unanagenehmen Erlebnissen verbinden und sich außerdem von dem Konsumverlockungs-Overflow bedrängt fühlen.

In Momenten der glitzernden, engelbestückten und O-du-fröhliche-schmetternden Warenauslagen bin ich wirklich dankbar, daß ich die Hartz-IV-Zeit im Rücken habe. Die Kauflust minimiert sich dadurch so sehr und man wird ein ausgesprochen bescheidener Mensch, der stets abwägt, ob er eine Sache wirklich braucht oder nicht.

Das ist natürlich nicht gut für die Wirtschaft, aber mein schlechtes Gewissen hält sich deutlich in Grenzen. Das sind eben die Nachwirkungen der staatlich verordneten Armut und ich bitte sehr darum, daß mir diese Nachwirkungen noch lange erhalten bleiben. Die ehemals notwendige Bescheidenheit, die nun, da ich mir (fast) alle meine Wünsche erfüllen könnte, in vollster Freiwilligkeit weiterbesteht, öffnet einem ja auch die Augen. Wieviel Geld hat man ehedem für Blödsinn ausgegeben, um sein mickriges Selbstwertgefühl zu steigern?

Und da man als Hartz-IV-ler kein Selbstwertgefühl mehr besitzt, braucht man es auch nicht mit Konsumgütern aufpimpen.

Und wenn du Glück hast und irgendwann wieder aus dem Loch rauskriechst, dann wird dir klar, daß es nicht all der Scheiß in den Läden ist, der dir gefehlt hat, sondern die Anerkennung und Wertschätzung deiner Person. Der Respekt und die Achtung oder auf den Punkt gebracht: Die Menschenwürde. Und die kannst du nun mal nicht kaufen.

Aber du kannst sie schenken.

Ein schönes, besinnliches Weihnachtsfest wünscht allen Atomality. 🙂