Schlechte Erfahrungen


Es gibt ja diese Arbeitnehmermentalität, sich krank in die Arbeit zu schleppen oder Überstunden zu machen. Sich loyal zu zeigen, sich für das Firmenwohl aufzuopfern und eigene Belange zurückzustecken.

Menschen, die sich so verhalten, beäugen die, die zweimal im Jahr krank sind, misstrauisch oder lästern, wenn der Kollege pünktlich das Büro verlässt.

Es gibt diese Mentalität wirklich. Ich selbst hatte sie in allen Auswüchsen seit Beginn meiner Tätigkeiten gegen Entgelt im Alter von 16 Jahren bis vor ca. vier Jahren. Ich habe mich mit Fieber an den Schreibtisch gesetzt, war immer da, wenn jemand anderes ausfiel, habe Überstunden gemacht, teilweise sogar sehr exzessiv. Und nicht etwa, weil es meinen Arbeitgebern schlecht ging. Im Gegenteil!

Dann ging mir ein Licht auf. Ich hatte nicht einen Arbeitgeber, der meinen Einsatz honoriert hat! Und allein die Gnade, bei meinem Arbeitgeber arbeiten zu dürfen und seinen Reichtum zu mehren, sehe ich nicht als Auszeichnung für meine gelebte Loyalität an.

Und mittlerweile weiß ich: Es ist nichts bewundernswertes, sich so aufopfernd zu verhalten. Es ist einfach nur dämlich.

Das ist das traurige Fazit aus 20 Jahren Arbeit.

Saure Limonade


Der Bionade-Hype ging an mir vorüber. Als das Getränk zum In- und Lifestylegesöff avancierte, war ich Hartz-IV-Empfängerin und da war selbst Leitungswasser Luxus. Den Aufstieg habe ich aus Interesse allerdings beobachtet. Die Geschichte war einfach so wunderbar motivierend – gerade wenn man sich am Bodensatz der Gesellschaft befindet und unter dem Schmarotzerimage zu leiden hat.

Pilcher hätte es nicht schöner schreiben können:

Ein insolventes Unternehmen in idyllischer Landschaft, gefährdete Arbeitsplätze mit zahlreichen Einzelschicksalen, eine innovative Erfindung und schließlich die Rettung der Brauerei, Happy End.

Ja, davon träumt man als Hartz-IV-Empfänger nachts. (Tagsüber verraucht und versäuft man natürlich das Gnadengeld der Gesellschaft). Man denkt: Mensch, da hat es einer geschafft. Vielleicht schaffe ich es ja auch aus dem Sumpf… Schließlich wird einem stets vermittelt, dass man alles erreichen kann, wenn man nur will (was im Umkehrschluss natürlich bedeutet, dass das „asoziale Pack“ einfach nicht will, und diese wohlwollende Volksmeinung bekommt man durchaus täglich zu spüren).

Als ich dann wieder Arbeit und Geld hatte und man mich mit „sehr geehrte Frau Atomality“ ansprach, mir freundlich die Hand schüttelte und respektvollen Umgang mit mir pflegte, da trank ich dann endlich einmal das teure Gesöff. Geschmeckt hat es mir nicht. Aber das spielt keine Rolle. Wenn man damit eine kleine Brauerei unterstützt, die fast insolvent gegangen wäre! Die Einzelschicksale! Die innovative Erfindung! Und nach öko klingt es auch!

Heute denke ich, wenn ich die Neuigkeiten in Sachen Bionade lese, man sollte sich seine Vorbilder nicht in solchen Aufsteigern suchen. Offensichtlich mutiert man nicht zum Besseren, sobald viel Geld in die Kasse gespült wird. Da wurde der Preis einer Flasche um 30 Prozent erhöht und sich anschließend gewundert, warum der Absatz dramatisch sank. Komisch, nicht, wo diese Preispolitik bei den Energieversogern doch so gut klappt? Unverständnis machte sich breit und man bedauerte. Weniger die Preiserhöhung, mehr das Urteil der Verbraucher, man sei raffgierig.

Plötzlich war Bionade auch gar nicht mehr so gesund. Viel Zucker schadete dem Öko-Image. Und als hätte man nicht schon genug bewiesen, dass man auch ein aufstrebendes Erfolgsunternehmen – offensichtlich in Unkenntnis der eigenen Zielgruppe – bravourös in den Sand setzen kann, verspielt man auch noch den letzten Rest an Sympathie, indem man das ehemalige Underdogunternehmen von einem Großkonzern fast ganz verschlucken lässt. Ist nichts mehr mit kleiner Brauerei, Rettung vor Insolvenz, Einzelschicksale… Aber was spielt das für eine Rolle. Man hat sich gesundgestoßen, man ist Mittelschicht, man ist Arbeitgeber, man ist die Öko-Fraktion der FDP!

Nein, man sollte sich seine Vorbilder wirklich nicht in der Wirtschaft suchen.

Zum Haare raufen


H+M wirbt zur Zeit – großangelegt und omnipräsent – mit einem bärtigen männlichen Model, zum Teil gewandet in Strickpulli und Wollschal. (1) Sofort kommen einem diskriminierende Gedanken in den Sinn. Etwa Waldschrat, Ökoheini, langhaariger Bombenleger, Wollzausel, Catweazle und ähnliches. Man muss es sich ganz klar eingestehen: Es ist der Bart, der den Mann für das persönliche Empfinden ästhetisch entstellt und Vorurteile erweckt. Bärte sind schließlich out und nur wenige kämpfen in verzweifelter Singularität für den Erhalt der Kinnbehaarung.

Haare sind etwas ganz und gar unanständiges geworden.  Angefangen hat es mit Achselbausch und Wadenflaum, es folgte die männliche Brustwolle und irgendwann in den 90er Jahren fielen die Schamhaare der Rasur zum Opfer.  Es scheint so, als wollten wir die Evolution mit Gewalt vorantreiben. Schließlich brauchen wir das Körpergestrüpp ja gar nicht mehr. Also weg damit.

Wie weit die Abneigung gegen die eigene Behaarung fortgeschritten ist, zeigt die gleichgeschlechtliche Diskriminierung. Frauen lästern über behaarte Frauen, beschimpfen sie als ungepflegt, um sich selbst einen sexuellen Vorteil zu verschaffen (eigentlich ja der Hauptgedanke bei gleichgeschlechtlichen Lästereien, neben der Kompensierung des eigenen Minderwertigkeitsgefühls). Mittlerweile ist die Haarintoleranz so weit fortgeschritten, dass man sich vor den eigenen sprießenden Härchen ekelt und die Müttergeneration belächelt, die die Damenrasierer auf dem Scheiterhaufen der sexuellen Diskriminierung zusammen mit ihren Büstenhaltern verbrannte.

Und üppte bei der Garde der männlichen Schauspieler bis in die 80er-Jahre noch die Brustbehaarung, rennen sie heute scharenweise zur Wachsfolter oder zum Laserbeschuss. Bärte haben nur alte Männer wie Sean Connery oder überdrehte Figuren wie Captain Jack.
Magnum, Gallionsfigur aller Bartträger,  finden  in Wahrheit auch nur Kerle attraktiv. Keine mir bekannte Frau im Alter von 14 bis 40 kann dem potenzgestreiften Gesicht Tom Sellecks etwas abgewinnen.

Und so stehen die Männer, die man heutzutage Jungs nennt, frisch epiliert mit ihren eitlen Bubigesichtern vor dem H+M Plakat und bewerten mit gewisser Schadenfreude das bärtige Modell. Der moderne metrosexuelle Mann kann der Stutenbissgkeit durchaus etwas abgewinnen und sie für sich übernehmen. Man fühlt sich auch gleich viel attraktiver, wenn der Mann auf der Plakatwand so gar nicht dem Schönheitsideal entspricht. Und dass Werbung dieser Art erfolgreich ist, zeigen die Dove-Kampagnen.

Selbstverständlich war das nicht die Intention der Werbeagentur. Vermutlich ist die Aktion ein verzweifelter (und zu 100% erfolgloser) Versuch, dem Bart wieder sexuelle Attraktivität zu verleihen. (Siehe Johnny Depp, Joaquin Phoenix, Brad Pitt u.viele, viele a.)

Haare, besonders Körperhaare sind ein Zeichen dafür, dass der Mensch erwachsen ist. Erwachsen ist aber gleichbedeutend mit dem Übernehmen von Verantwortung. Und das Übernehmen von Verantwortung ist gleichbedeutend mit alt. Und alt ist definitiv sexuell unattraktiv. Und darauf läuft von der Berufswahl über den Autokauf und die Kleiderwahl alles hinaus.

In unseren Köpfen sind wir alle zu Kinderfickern geworden, die rasierte Mösen und eine epilierte Brust brauchen, um ihre Illusion von Jugendlichkeit nicht zu zerstören. Und diese Entwicklung geht wenig überraschend Hand in Hand mit dem steten Entzug aus der Verantwortung. Bleibt zu hoffen, dass das nicht wieder ein Bartträger zu seinen Gunsten zu nutzen weiß.

(1) Ich würde gerne auf die aktuelle H+M-Werbung verlinken. Leider ist die Website von Hennes und Mauritz so grottenschlecht, dass mir das nicht möglich ist. Bei Interesse muss man sich also durch die neue Herbst-Kollektion klicken, um den Mann mit Bart zu finden. Wer sich das antun möchte, kann es hier tun: http://www.hm.com/de/fashion/herbstmode__ff09.nhtml#/ff09/

Wie XING mir den Tag verdorben hat…


Sehr geehrte Damen und Herren,

bis zum Alter von 18 Jahren ist der Geburtstag ein Ereignis, das man sich ungeduldig herbeiwünscht. Man denkt an Freiheit und Erwachsensein, Führerschein, Wahlrecht, freie Liebe und ewiges Leben.

Mit zunehmenden Lebensjahren ändert sich das. Jeder Geburtstag gemahnt einen nun an Falten, Inkontinenz und Menopause (sollten Sie, der Leser dieser Zeilen, ein Mann sein: Denken Sie an Impotenz, Schrumpfung primärer Geschlechtsteile und Hodenkrebs).

Ich befinde nun mich genau in diesem Alter, in dem man sich an Geburtstagen am liebsten einen Sack über den Kopf zieht und in einer Ecke verkriecht.

Sicherlich ist Ihnen geläufig, dass gerade Frauen sehr sensibel reagieren, wenn man sie auf ihr Alter anspricht. Jedes hinzukommende Lebensjahr wiegt bleischwer und fühlt sich an wie ein ganzes Jahrzehnt!!!

Und nun, meine sehr geehrten Damen und Herren, stellen Sie sich bitte vor, wie ich heute morgen – an meinem $ALT. Geburtstag, einem Tag der Trauer und Wehklage, bei einem beiläufigen Blick auf den Monitor meines geliebten Mannes feststellen musste, dass SIE, also nicht Sie persönlich, aber Ihr Unternehmen, E-Mails an Mitglieder verschickt, um sie an die Geburtstage ihrer Kontakte zu erinnern.

Das ist – verstehen Sie mich nicht falsch – per se nichts schlechtes, sondern eine nette Service-Leistung.

ABER!!!

WARUM!!!

(Hören Sie mein lautes, schluchzendes Weinen?)

MÜSSEN SIE ALLEN MEINEN FREUNDEN, KOLLEGEN UND KONTAKTEN ERZÄHLEN, ICH SEI ($ALT + 1) !!!!!????!?!?!?!

Tausende E-Mails und Geburtstagskarten werden mich nun  ereilen mit dem demütigenden Text „Herzlichen Glückwunsch zum ($ALT + 1). Geburtstag“!!!! (Quantitativ nur leicht und unwesentlich übertrieben, um Ihnen die qualhafte Brutalität zu verdeutlichen!)

Können Sie sich die phsychische Folter vorstellen, der ich ausgesetzt sein werde? Können Sie nachvollziehen, wie grausam es sein wird, von Kollegen gesagt zu bekommen, wie jung ich doch noch für mein Alter aussehe!!! FÜR MEIN ALTER!!! Dabei bin ich noch sozusagen gefühlte Jahrzehnte von dem in den von Ihnen versendeten Erinnerungsmails angezeigten Alter entfernt!!!!!!!!

Sehr geehrte Xingler, überlegen Sie mal, mit welch entsetzlicher Herzlosigkeit Sie mich heute in den Tag geschickt haben!

Steckt dahinter ein perfider Plan, mein ohnehin schon labiles Seelenkorsett zu löchern und kaputt zu reißen? Von dieser Annahme muss ich direkt ausgehen, bedenkt man, dass die Altersanzeige – wie ich in den vohergehenden E-Mails, die mein Liebster von Ihnen erhalten hat, entnehmen kann, stets korrekt angezeigt wurden – MIT AUSNAHME DES HEUTIGEN TAGES!!!!

Sie sind schuld, wenn ich noch heute aufgrund des Schocks  in eine verfrühte Menopause wechsle. Jawohl!!
Sie sind schuld, wenn ich  meinem Liebsten künftig mit Hinweis auf ein drohendes osteoporöses Zerbröseln meines Oberschenkelhalsknochen Zärtlichkeiten verweigere!! Jawohl!!
Sie sind schuld, wenn ich heute von den zahlreichen Verehrern anstelle von Strapsen Stützstrümpfe gereicht bekomme und mit Doppelherz anstoße anstatt mit Champagner!!! JAWOHL!!!

Das wollte ich nur mal gesagt haben.

Ich verbleibe mit freundlichen Grüßen,

Ihre Atomality.

PS: Glauben Sie bloß nicht, das Obige sei ironische oder gar spaßig gemeint.
WENN ES UM DAS ALTER EINER FRAU GEHT, HÖRT DER SPASS AUF!

Und jetzt gehe ich in den Keller zum Weinen!

Definition von Unmöglichkeit


Ich glaube, eine wirkliche Gleichwertigkeit von Mann und Frau haben wir genau dann erreicht, wenn sich das Volk stumpf und schenkelklopfend über Folgen der fünften Staffel einer amerikanischen Konservenlachen-Comedyserie amüsiert, in der eine hässliche, dumme, verfressene, ein bißchen eklige, fernsehsüchtige und übergewichtige Frau, die auch noch beim Vögeln nicht der Bringer ist, mit einem gut ausehenden, klugen Mann, der Wert auf sein Aussehen legt und sie wirklich liebt, verheiratet ist. Nennen wir die beiden einfachheitshalber Mag und Harry.

Das reicht aber noch nicht.

Eine ganze Reihe männlicher Zuschauer müsste beim Gucken ihre Freundinnen anstupfen, auf Mag deuten und begeistert quietschen: Hach, is die knuffig…