Inglourious Basterds


Es ist ja nun schon eine ganze Weile her, dass ich Inglourious Basterds im Kino sah und ich erinnere mich vage, dass ich recht unmittelbar danach einen Artikel dazu verfassen wollte. Nun, das ist nie passiert und beweist wieder einmal, dass mich meine Reaktionsgeschwindigkeit nicht zum Börsenmakler prädestiniert und ich an einer Hochschule doch ganz gut aufgehoben bin.

Zu meiner Verteidigung kann ich immerhin anbringen, dass mich Inglourious Basterds nachhaltig verstört hat, weshalb ich schlicht nicht in der Lage war, mein Urteil darüber abzugeben. Diese nachhaltige Verstörung beruht natürlich nicht auf der Tarantinoschen Gewaltorgie, denn die passiert ja gar nicht in Inglourious Basterds. Sie beruht auf der Überlegung, ob dieser Film nun der schlechteste oder beste Film ist, den Tarantino bisher abgedreht hat.

Die Geschichte ist hanebüchen und auch wenn die Idee dahinter gut ist, so ist sie doch wirklich schlecht umgesetzt. Eine coole Gang, die Nazis killt und Hitler durchsiebt, das ist ganz ok, aber es hätte wesentlich aberwitziger daherkommen können. Das künstlerische Ausgestalten ist durchschnittlich, gemessen an dem Standard, den Tarantino seinen Filmen selbst gesetzt hat. Die Gewalt spielt eine Nebenrolle und das erscheint zunächst merkwürdig, wenn man an Filme wie Pulp Fiction oder die Kill Bill Serie denkt. Aber nicht alle Tarantino-Filme sind Bluträusche, Jackie Brown z.B. setzt eher auf die Darsteller als auf deren platzende Köpfe oder Gedärme.

Die Darsteller, genau die sind die Stärke in Inglourious Basterds. Aber leider auch nur teilweise. Brad Pitt, Till Schweiger und Diane Kruger können nur durch sexuelle Gefälligkeiten, Erpressung oder unter Ausnutzung einer hilflosen Lage Tarantinos (Suff, Drogenrausch, soeben Vater geworden) ihren Weg in den Film gefunden haben. Sie ziehen das Niveau merklich nach unten. Überhaupt kann man einen deutlichen Qualitätsunterschied zwischen europäischen und amerikanischen (oder amerikanisierten, bwz. in den USA erfolgreichen) Schauspielern erkennen.

Das abweichende Niveau fällt normalerweise selten auf, da es kaum Filme gibt, in denen das Verhältnis der Schauspielernationalitäten so ausgeglichen ist. Generell ist es (us-)amerikanischer Usus, Darsteller eines Filmes wie Darsteller eines Schauspiels agieren zu lassen. Oder, anders gesagt: Hollywood hat die Stummfilmzeit eigentlich nie wirklich überwunden. Anscheinend lernt man an Schauspielschulen oder am Set ca. 5 verschiedene Gesichtsausdrücke, die verschiedene Gefühle zum Ausdruck bringen sollen. Diese kann man dann auf Anweisung des Regsiseurs bequem und schnell abrufen. Diese Art der Darstellung ist eine Art McAct, die Fast-Food-Variante des Schauspiels, die das Massenpublikum schnell zufrieden stellt, aber keine Experimente wagt und keine Geschmacksabweichung duldet.

Ein gutes Beispiel ist Eliah Wood, der durch drei Herr der Ringe Filme mit einem Gesichtsausdruck stolperte, der den Zuschauer vermuten lässt, die Bürde, die Frodo zu tragen hat, ist in Wahrheit ein schweres Gewicht, dass man ihm an die Eier geklemmt hat. Ich höre direkt die Regieanweisung: „Eliah, jetzt guck mal gequält. Nee, noch gequälter! Augenbrauen zusammenziehen!! Ja, perfekt!“ Nicht besser erging es am Set wohl Harry-Potter-Darsteller Daniel Radcliffe, den Chris Columbus (der zuvor schon Mccauly Culkin auf ewig überrascht trimmte) anscheinend lehrte, man müsse als Zauberlehrling immer ein wenig verwundert und verkniffen durch die Welt laufen.

In (guten) europäischen Filmen wirken die Darsteller dagegen durch realitätsnahes Agieren bzw. durch bewußtes Nichtschauspiel. Wenn das Reizzentrum und ich in einem Cafe sitzen und wir uns unterhalten, dann ist das keine Explosion der Gesichtsmimik. Ein französischer oder finnischer Film würde unser Verhalten und Gebaren mittels Schauspieler genauso mimisch ausdruckslos darstellen und trotzdem bzw. deshalb Spannung erzeugen. Julia Roberts und George Clooney dagegen müssten das Pärchen spielen, das in einem Cafe sitzt und sich unterhält. Und man sieht es, dass sie es spielen. Kein Pärchen sitzt so im Cafe, unterhält sich so und sieht dabei noch so gut aus.

Oben habe ich von abweichendem Niveau gesprochen. Das ist vielleicht zu negativ ausgedrückt. Natürlich spielen auch unterschiedliche Sichtweisen des Mediums, der Kunstform Film eine Rolle. Hollywood (als Verkörperung des amerikanischen Films) steht für die Illusion und viele dort produzierte Filme haben nicht umsonst das Prädikat Popcorn-Kino. Chabrol, Herzog, Truffaut, Kaurismäki usw. stehen eher für schwermütigen, realen Tiefgang, den der durchschnittliche Kinozuschauer gar nicht sehen möchte, weil er viel zu sehr involviert, hineingezogen wird. Der Realismus bietet keine Ablenkung.

Wenn diese zwei Welten nun aufeinanderprallen, wie in Inglourious Basterds, dann darf man als Zuschauer zurecht irritiert sein. Wenn man den großartigen Christoph Waltz, Daniel Brühl oder Mélanie Laurent sieht, die Brad Pitt, Diane Kruger und Till Schweiger an die Wand spielen, die den Film tragen, dann sieht man aber auch, dass so eine Vermengung, so eine Dominanz keine negativen Auswirkungen haben muss. Man fühlt sich unterhalten. Ganz unstylisch und ohne Blut.

Ich wünschte, es gäbe mehr amerikanische Regisseure mit Tarantinos Besetzungsmut.

Frauenzeitschriften im Test – Brigitte


2.60 Euro habe ich bezahlt und das einzige, was mir vom Lesen in Erinnerung blieb, ist, dass man Fleisch in Wasser braten kann, um Fett zu sparen.

Mit Brigitte lernte ich Möbel bauen, marmorieren, Steine meißeln, Leder bearbeiten und krakelieren. Meine Mutter war in den 80er Jahren Dauerabonnentin und ich erinnere mich gut, dass wir uns oft um das Heft stritten, sobald es der Postbote brachte. Brigitte war kreativ, modisch nicht abgehoben und bodenständig. Einige Dossiers waren tatsächlich lesenswert, andere für mich als Teenager bahnbrechend (Sex von A-Z). Elke Heidenreich schrieb noch die Kolumne und die Reportagen waren nicht selten feministisch angehaucht.

Irgendwann verschwand der Kreativ-Teil, verschwand Elke Heidenreich, verschwand die bodenständige Mode. Schließlich, Anfang der 90er Jahre verschwand auch meine Mutter als Abonnentin. Auf Brigitte stieß ich erst wieder, als die Zeitschrift letztes Jahr mit ihrer Ankündigung, künftig auf professionelle Models zu verzichten, Furore machte. Die Idee fand ich großartig und meine Erwartungen waren hoch. Allerdings muss ich zugeben, dass ich nicht wirklich die Absicht hatte, mir die Brigitte zu kaufen.  Dass ich schließlich bei der zweiten Ausgabe dieses Jahres doch zugriff, hat eigentlich traurige Gründe: Meine Gedanken sind momentan mit vielen unspaßigen Dingen beschäftigt, so dass mir die Konzentration auf ein Buch enorm schwer fällt. Ich brauche aber Lektüre für die S-Bahn und die Badewanne.

Um es vorweg zu nehmen, Brigitte hatte sich ja schon verändert, als meine Mutter sie noch las, aber die mir vorliegende Ausgabe hat mit der Zeitschrift meiner Erinnerung nur noch den Namen in der bauchigen Titelschrift gemein.

Als erstes fällt natürlich die Initiative „ohne Models“ auf, die Brigitte auf dem Titel bewirbt. Der Blick auf die Modefotos ist allerdings ausgesprochen ernüchternd. Prangte nicht überall der Hinweis, wäre es vermutlich keinem aufgefallen, dass es sich bei den fotografierten Kleiderständern um „normale“ Frauen handelt.. Sie sind dürre Hungerhaken wie gehabt, haben aber jetzt einen Namen und auch das Alter ist mit angegeben. Tatsächlich sind die Frauen ca. doppelt so alt wie die herkömmlichen Models, also in etwa um die 30. Dank Photoshop spielt das Alter aber ohnehin keine Rolle mehr, man denke nur an Simone Thomalla, die ihr Selbstwertgefühl (und der Grafiker ihre Bilder) im Playboy aufpolieren musste.

Da sehe ich also die schöne, schlanke Isabel Jauss. 31 Jahre alt, aber auf den Fotos ginge sie locker als 18-jährige durch. DAS soll mein Selbstwertgefühl stärken? Nein, eher neidvoll blickt man auf die gut aussehenden, gepimpten Thirty-something-Karrierefrauen (Fotografin, Architektin, Schauspielerin, Moderedakteurin, Masseurin – in BARCELONA!, nur die Kellnerin fällt aus dem Rahmen) und blättert gleich frustriert nach hinten zur Brigitte-Diät. Das ist natürlich großartig. Man wirbt vollmundig damit, man wolle das Frauenbild revolutionieren und fügt gleich mit der ersten Ausgabe umfangreiche Diättips bei. Thema verfehlt möchte man als Korrektorin darunter setzen. Dass es übrigens auch anders geht, habe ich – ganz wieder Erwarten – in einer anderen Frauenzeitschrift gesehen, deren Beurteilung demnächst folgen wird.

Neben Mode gibt es in der Brigitte natürlich noch andere Themen. Beauty, Kochen, Reisen und Wohnung, wie in praktisch jeder Frauenzeitschrift, dazu Reportagen, Interviews und das Dossier „Eifersucht“.Darüber kann man nichts schlechtes sagen, stilistisch mittelmäßig, inhaltlich ok, aber doch eher durchschnittlich, langweilig, nicht wirklich lesenswert. Positiv fallen die schöne Fotos auf und das Layout ist auch ansprechend.

Kaufe ich die Brigitte nochmal für einen S-Bahntrip oder eine Badewannen-Session? Nein, eher nicht.

Preis: 3 von 6 Punkten
Layout: 4 von 6 Punkten
Mode: 4 von 6 Punkten
Reportagen: 3 von 6 Punkten
Beauty: 3 von 6 Punkten
Deko/Kreativ: 2 von 6 Punkten
Kochen: 4 von 6 Punkten

Gesamt: 23 von 42 Punkten.

Geeignet für: Frauen ab 30, die Charlotte Link oder Paulo Coelho lesen, die gerne im Depot einkaufen und grünen Tee trinken.

Mein Rat an Brigitte:
Denjenigen, der sich den Werbespruch „Ich bin Brigitte“ ausgedacht hat, feuern und generell die Kampagnenewerbung „ohne Models“ einstellen. Das Konzept beibehalten, aber mit richtigen Laienmodels, die Rundungen, Ecken und Kanten haben, die im Rollstuhl sitzen, klein oder dick sind und deren Gesichter Hakennasen, Zahnspangen oder Tattoos zieren. Wenn es Euch gelingt, DIESE Frauen schön und ansprechend zu fotografieren, DANN habt Ihr wirklich das gesteckte Ziel erreicht. Nehmt Euch ein Vorbild an Dove.

Schuld sind immer die anderen


Immer wieder hört und liest man, dass Jungen die Bildungsverlierer seien, denn es mangele ihnen an männlichen Vorbildern im Kindergarten und in der Schule. Diese Argumentation ist ein schönes Beispiel für das Verschieben der Verantwortung. Es stimmt sicherlich, dass es viel mehr weibliche Lehrkräfte gibt als männliche. Meinem Abiturjahrgang wurde vom (männlichen) Berufsberater ausnahmslos empfohlen, Grundschullehramt zu studieren. Selbstverständlich nur den weiblichen Vertreterinnen („Was wollen Sie denn Medizin studieren als Frau? Schließlich heiraten Sie und bekommen irgendwann Kinder.“).

Allerdings ist dieses Geschlechterverhältnis keine Entwicklung der letzten Jahre. Meine Eltern hatten nur weibliche Erzieherinnen und in der Volksschule, so nannte man das damals, gab es keinen einzigen Lehrer. Der Grund war natürlich der Männermangel nach dem Krieg. Damals bot man Frauen selbst ohne Ausbildung Stellungen als Lehrkräfte an, um diesen Mangel zu überbrücken. Ich kann nicht behaupten, dass die Generation meines Vaters besonders weich oder besonders aggressiv ist (beides Vorwürfe, die man neben schlechten Zensuren den Jungen heute macht).

Typischerweise studierte meine Mutter Grundschullehramt. Sie begann ihre Lehrtätigkeit in den 60er-Jahren in einem fast rein weiblichem Kollegium (und so blieb es bis zu ihrer Pensionierung). Das Reizzentrum hätte bei ihr die erste Klasse besuchen können. Und ich kann auch nicht behaupten, dass das Reizzentrum, als Verteter seiner Generation besonders weich oder besonders aggressiv ist. Genausowenig wie die Männer meiner Altersklasse. Vom Kindergarten bis zur vierten Klasse hatten ich und meine Mitschüler keinen einzigen männlichen Lehrer.

Auf niedriger Bildungsebene gab es in den letzten Jahrzehnten stets einen höheren Frauenanteil (das Verhältnis kehrt sich damals wie heute mit steigender Bildungsebene um). Er kann für die Bildungsmisere nicht verantwortlich sein, denn sonst hätten wir mit diesem Problem schon seit 40 Jahren zu kämpfen. Tatsächlich gibt es heutzutage sogar verhältnismäßig mehr Männer in Kindergärten und Grundschulen als das in den letzten 60 Jahren der Fall war. Noch zu meiner Kindergartenzeit war ein männlicher Kindergärtner ein absolutes Kuriosum. Heute ist das bei weitem nicht mehr ungewöhnlich.

Es ist leicht, die öffentlichen Bildungseinrichtungen für mangelhafte Erziehung verantwortlich zu machen. Das ist ein Trend der letzten Jahre. Bringt z.B. ein Kind schlechte Zensuren mit nach Hause, trägt der Leher und damit die Schule die Verantwortung. Keinesfalls kann es am Kind und der Erziehung der Eltern liegen. Doch da sitzt das Kernproblem. Viel mehr Kinder als je zuvor wachsen mit nur einem Elternteil auf. Es wird sich weniger um sie gekümmert, weniger von zu Hause aus in ihre Bildung investiert, z.B. indem man ein Kind ans Lesen heranführt, anstatt es mittels Fernsehen seelischer Verwahllosung und optischer Folter auszusetzen. Meist ist es die Mutter, der bei Scheidungen die Kinder zugesprochen werden oder bei der die Kinder dauerhaft wohnen. Wenn Väter sich nicht kümmern wollen oder dürfen, wo sollen dann die männlichen Identifikationsvorbilder und Reibungsgegner herkommen?

Es ist die moderne Familienentwicklung und die Mentalität der Verantwortungslosigkeit, die die Kinder büßen müssen. Und die öffentlichen Bildungseinrichtungen sollen diese Scharte auswetzen. Es wird ihnen nichts anderes übrigbleiben. Aber verantwortlich für diese Entwicklung sind sie sicher nicht.