Ich arbeite bei Aldi. Du auch.


Gestern gab es in 3Sat eine recht interessante Reportage (Der Kunde als Knecht?) darüber, wie sehr wir seit geraumer Zeit  zu kostenlosen Leiharbeiter der Produzenten und Gehilfen der Behörden erzogen werden. Der Kunde mutiert zum Dienstleister, der Dienstleister ist bestenfalls ein Dienstanbieter, der sich jeden Handgriff extra bezahlen lässt, sofern er ihn überhaupt noch im Repertoire hat.

Kürzlich las ich in der TAZ online einen Artikel, mit welchen Tricks Discounter arbeiten, um den Kunden nach dem Bezahlvorgang schnell wieder loszuwerden. Bloß keine Wohlfühlatmosphäre aufkommen lassen, der Käufer soll seinen Platz schnellstmöglich räumen, um den nachfolgenden aufrücken zu lassen.

Beide Themen sind recht eng miteinander verwandt, denn es geht natürlich stets um Geld. Anbieter, die den Kunden zur Mitarbeit einspannen, sparen Personal.  Supermärkte, die das Stresspotential des Käufers steigern, erhöhen den Durchfluss. Somit können Sie mehr Kunden abfertigen, ohne mehr Mitarbeiter einzustellen.

In der Tat ist der Unterschied Discounter – (herkömmlicher) Supermarkt gravierend.

Bei Aldi (Nord) bspw. sind die Ladenräumen sehr eng und ungemütlich gestaltet. Bildet sich vor der Kasse eine Schlange, sind manche Warengänge unpassierbar, so dass man unter Rangierarbeit unkehren muss und eine lange Regalreihe voll Produkten entlangwandert, bevor man in den richtigen Gang einbiegen kann. Viele Möglichkeiten, noch mehr Ware in den Wagen zu verfrachten.

Und diese Einkaufswagen sind unglaublich tief. Der Vorteil ist: Es passt viel rein. Fragt sich nur, für wen das so vorteilhaft ist. Selbst ich mit einer Größe von über 1,70 habe jedenfalls Schwierigkeiten, Ware vom Boden des Wagens aufzufischen, um sie auf das Band zu legen. Dazu ist der Kassengang so eng, dass man sich nicht seitlich an den Wagen stellen kann. Häufig ist man selbst plus Einkaufswagenlänge aber länger als die Produkte auf dem Band, so dass der hinter einem stehende Kunde gezwungen ist, sich in Warenweitwurf zu üben, damit keine Bandlücken bleiben, die wiederum den Unmut der Schlange erregen.

Sobald man seinen Einkauf auf das Band befördert hat, muss man ihn unverzüglich wieder in den Wagen zurücklegen. Und zwar schnell! Aldi hat kein verlängertes Kassenende und das ist natürlich pure Absicht. Sieh zu, dass du schnell wieder weg kommst, signalisiert das. Und es ist so gemeint.

Das Einräumen der gekauften Dinge gestaltet sich auch schwierig. Die Einpacktheke ist so putzig klein und so nah an den Kassen, dass man den gesamten Durchfluss blockiert, wenn man gemütlich seine Joghurtbecher in die Tasche stapelt.

In Stoßzeiten, also bei Aldi von 8:30 bis 20:00, ist der Einkauf im Discounter alles in allem demotivierend, stressig und unangenehm. Der einzige Grund, weshalb man das in Kauf nimmt, ist der, dass die Preise niedriger sind als im Supermarkt. Sofern man diese Wahl hat. Ich hatte lange Zeit keine und musste deshalb bei Aldi einkaufen. Und tatsächlich passt die Behandlung im Discounter sehr gut zu der gewohnten, wenn man arm ist: Wir mögen dich eigentlich nicht und wir wollen dich auch nicht hier haben.

Bei REWE ist alles anders. Schon am Eingang kann man sich zwischen Körbchen und Wagen entscheiden. Letztere sind nicht so groß und tief wie die Wuchtbrummen bei Aldi. Die Gänge sind breit, der Kassenraum ist großzügig und lange Schlangen gibt es kaum, da häufig mehr Personal an den Kassen sitzt. Man kann seinen Einkaufswagen problemlos seitlich ausräumen und in Ruhe auch wieder befüllen, da die Ware nach dem Abscannen auf eine großzügige Theke geschoben wird.

Noch angenehmer ist der Einkauf bei Edeka. Denn dort gibt es stets freundliches und hilfreiches Personal, dass einen tatsächlich bedient. In der Tat so wie in der Werbung.

Wir sind diese Dienstleistungen nicht mehr gewohnt. So sehr sind wir schon umerzogen, so sehr arbeiten wir unfreiwillig mit und bezahlen auch noch dafür. Manchmal mit unserem Arbeitsplatz.

Würden wir mehr bezahlen und damit Arbeitsplätze schaffen, wenn wir uns dafür beim Friseur nicht mehr die Haare selbst föhnen, unsere Brötchen im Backdiscounter nicht mehr selbst backen, unsere Regale nicht mehr selbst zusammenschrauben und unser Bargeld nicht mehr selbst ausbezahlen müssten? Offensichtlich nicht. Nicht mehr. Vielleicht auch noch nicht wieder.

Veröffentlicht von

Katjalyse

Ich heiße Katja. Oder so ähnlich. Seit 2008 wohne ich in Hamburg. Ich blogge seit 2005, also schon ein paar Tage länger und unter verschiedenen Pseudonymen. Aktuell geht es (wieder einmal) hauptsächlich ums Abnehmen.

11 Gedanken zu „Ich arbeite bei Aldi. Du auch.“

  1. Dieser Stress entsteht aber nur, weil die Kunden mehr als bereitwillig dabei mitmachen. In der Schlange dem Vordermann immer hübsch auf die Pelle rücken, den Wagen in die Hacken rammen oder auf Kuschelkurs gehen. Wenn dann jemand die SChlange kreuzen muss, nur nicht nachgeben. Es könnte ja jemand trickreich zu drängeln versuchen. Ich lasse im Supermarkt stets eine Gasse für die vorbeieilenden frei, solange ich noch nicht bis ans Band vorgehen kann. Dann muss ich meinen Platz in der Schlange immer wortreich verteidigen und werde noch blöd angeschaut, wenn sich herausstellt, dass die Schlannge doch nicht 10 Kunden kürzer ist als alle anderen. Und Lücken auf dem Kassenband? So What? Wenn ich nicht dran komme, dann komm ich nicht dran. Ich recke mich nur, wenn ich wagenlos mehr gekauft habe als geplant und die Sachen aus Gewichtsgründen endlich abstellen will.
    Der Kürzere Einpacktisch bei Aldi stellt aber auch kein Problem dar, wenn man einfach den Mut hat, seine Sachen so einzu packen, wie man es möchte. Also die schweren Sachen nicht gerade auf die Eier oder den Salat stellen. Die Kassierer werden ncihts auf den Boden schieben, vorher machen sie ganz freiwillig eine kurze Pause und warten, bis die Theke wieder frei ist. Habe ich selbst erlebt, ohne dass in der Schlange hinter mir jemand Amok gelaufen ist.

    1. Ich glaube nicht, dass der Stress durch den Kunden entsteht, sonst gäbe es ihn auch bei Edeka etc. Aldi und Konsorten haben schon sehr clever dahingehend geplant, das Stresspotential durch äußere Umstände deutlich anzuheben.

      Aber natürlich hast Du recht, es gibt etliche Vollhonks, die in diesem System ganz aufgehen. Wobei ich mich auch ärgere, wenn jemand nicht schnell genug seine Ware auf’s Band legt oder wieder zurückräumt. Und ja, da gibt es schon mal gemeine Sprüche.
      Die Kassierer werfen natürlich nichts auf den Boden, gerne aber mal in den Wagen. Draußen merkt man dann, dass die Butter aufgeschrappt ist oder die Mandarinen zerditscht. Ich hasse es, wenn ich mit meinem Wagen warten muss, bis die Kundin/der Kunde an der Nachbarkasse seine Ware bezahlt und eingeräumt hat. Die Gasse ist so eng, dass man nicht vorbei kommt… ich bin gestresst, derjenige, der unter Einpackzwang steht ist gestresst, die Kassierer sind gestresst, denn die ernten den Zorn… es ist grauslich.

      Möglich, dass der Aldi hier in HH in meinem Stadtteil auch der schlimmste in D ist. Es ist auch der einzige weit und breit. Und da ich aus Süddeutschland komme, kenne ich auch Aldi Süd. Das sind WELTEN. Aldi Süd ist in jeder Hinsicht besser und wird von mir schmerzlich vermisst…

      1. Ja vielleicht ist es wirklich ein weiterer Unterschied zwischen Nord und Süd. Ich kenne die Nordvariante persönlich nicht.
        Aber das Gedrängel, von dem ich berichtet habe, kenne ich in der Extremform nur von Globus. Da ist mit 25 Kassen und riesiger Warenauffangwanne am Ende des Fließbands eigentlich alles nötige für den Kunden getan.
        Fehlt nur noch die DM und Plus Variante von dem Kundentrenner. Da kann der erste in Ruhe einräumen und der nächste trotzdem schon bedient werden, ohne das man Angst haben muss, dass die Einkäufe durcheinander geraten.

  2. Wow, ich kaufe natürlich auch manchmal bei ALDI – und bisher war ich mir garnicht darüber bewusst, mit welcher Absicht es einem unangenehm gemacht wird. Mich nervt es wirklich extrem, wie gehetzt der Kassiervorgang passiert. Im Endeffekt bin ich es aber bei aldi auch seit Kindheitstagen so gewöhnt! Rewe und Konsorten sind wie Urlaub gegenüber einem aldi/lidl-Einkauf. Wobei lidl ist durchaus ne Stufe angenehmer als Aldi.

  3. Lidl gibt es bei mir leider nicht in der Nähe. Und immer nur bei Rewe oder Marktkauf einzukaufen, ist auf Dauer eine teure Angelegenheit. Außerdem hat der Aldi günstige Bioprodukte und die besseren Süßigkeiten. Ein Dilemma… 🙂 Und man nimmt es in Kauf, trotz der „unfreundlichen“ Behandlung (die ja meist nur die Umgebung betrifft, die Kassiererinnen, zumindest hier, sind durch die Bank sehr freundlich).

    Wenn ich nur wüsste, WANN bei Aldi mal wenig los ist. Dann gäbe es wenigstens den Mitmenschenstress nicht.

  4. Da lese ich heute in der „Internet World Business“ (Ausgabe 12.Okt 09) die Headline … äh die Schlagzeile: „Warenkörbe werden größer“. Na bitte, du stehst nicht allein mit deiner Beobachtung, das muss definitiv ein neuer Trend sein.

  5. Ich kaufe gerade deshalb so gerne bei ALDI ein, weil die Kunden schnell durch die Kassenzone bugsiert werden. Wenn ich bei Läden wie REWE etc. in einer gleich langen Schlange stehe aber 4 mal so lange warten muss, bis ich an der Reihe bin, kriege ich die Krise. Der Stress, den ich dadurch habe, ist 1000 Mal höher, als der, der durch die Erwartung entstehen könnte, dass ich meinen Pack- und Bezahlvorgang beschleunigen soll. Deshalb für mich mehr Läden wie ALDI. Wenn ich meditieren will gehe ich in den Park und nicht einkaufen.

  6. Nun gut, aber TK-Spinat wird nicht durch Personal beim Edeka, der den noch in meinen Karren wuchtet, falls ich den nicht finde, bekömmlicher als der Kram, der auf dem Markt für gemütliche Einkäufer mit Pläuschchen teuer verkauft wird. Und das, was ich nicht gequetscht wissen möchte, zuletzt auf`s Band zu legen, sollte Standard sein. So man nicht Abi machen musste. DIE, die da in den Pausen kollektiv einkaufen, trödeln und klauen, sollen mal meine Rente löhnen? Da würde ich eher bei ALDI ne Versicherung kaufen……aktuell: ALDI kann auch Politik: Gibt Griechenland auf.
    Falls eure Börsenschnösel da was anderes erzählen, von „Luft nach oben in den Märkten“, verhaften lassen!

  7. war gerade bei einem relativ neu errichteten REWE.
    von wegen Körbchen.
    dermaßen enge Regale hab ich noch bei keinem Aldi oder Lidl gesehen.
    Wenn man sich vorher keinen Einkaufszettel grmacht hat, bekommt man gar nicht erst Lust, zu stöbern. und teurer als beim Discounter ist es zudem. ich wollte einfach nur wieder raus.

  8. Also ich steh ja total auf den Diskonter-Stress 😉 Besonders dann wenn ihn andere haben.
    Ja genau, ich bin der, der vor dem Milch- und Quarkregal quer mit dem Wagen steht und sich minutenlang nicht zwischen Halbfett, Vollfett oder doch lieber Apfelmus entscheiden kann. Ich bin der, der Dir beinhart entgegen der vorgegebenen Regalausfahrtsfahrtrichtung den Vorrang zum KAssenbereich nimmt, sozusagen ein Kassenquereinsteiger 😉 Ich bin der der vor Dir in der Schlange steht und schön gemütlich seine Sachen zwecks Zahlung auf das Förderband legt und dann mit Karte zahlt und dabei drei Versuche braucht den richtigen PIN einzugeben……

    Hach Einkaufen kann so viel Spass machen *gg*

  9. Die Einpacktheken sind deshalb so klein,damit die Kunde gezwungen werden A: sich einen Einkaufswagen zu nehmen. Denn durch die tiefen Einkaufswagen sieht der benötigte Einkauf so winzig aus und es wird noch dies und das mit ein eingepackt. Das steigert den Umsatz. Und B: soll durch die kleine Einpacktheke signalisiert werden, dass der Kunde sich beeilen soll. Denn Zeit ist Geld! Je mehr Kunden in der Stunde abkassiert werden,desto höher ist der Umsatz.

    Falls jetzt die Frage aufkommt,woher ich das weiß? Erfahrungswerte, da ich zum Aldi Nord – Team gehöre.

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