Entwebzwonullt


Web 2.0 hört sich großartig an. So fortschrittlich, so anders, so integriert, so sozial. Wir lassen nicht mehr machen, wir machen selbst. Wir teilen und beglücken die Webuser mit unseren Inhalten. Wir strahlen der Webwelt auf Facebook und MySpace entgegen, zeigen unsere peinlichsten Momente auf youtube oder youporn,wir rotten uns im StudiVZ in lustigen Gruppen zusammen, haben unsere Chefs bei Xing als Kontakte, wir geben unsere Weisheiten in Kurzform via Twitter weiter, Bloggen, was das Zeug hält und selbstverständlich bookmarken wir sozial und feeden natürlich, was wir für wichtig halten.

Web 2.0 ist das Mitmach-Web, das die Welt zum globalen Dorf machen soll.

Ehrlich gesagt, ich habe die Schnauze voll vom globalen Dorf. Ich habe meine Jugend in einem Dorf verbracht und ich weiß nicht, was daran so vorteilhaft sein soll. Landleben heißt Tratsch an allen Ecken. Wenn Du nachts besoffen nach Hause wankst, weiß es anderntags vom Pfarrer bis zum Schlachter wirklich jeder. Und wehe, einer tanzt aus der Reihe! Alle haben ein Auge auf alle. Das ist überhaupt kein bißchen spaßig. Sondern es nervt! Und zwar gewaltig!

Im übrigen ist es auch anstrengend, so ein Dorfleben. Real wie virtuell. Um was man sich plötzlich alles kümmern muß! Wenn ich meinen Tag nur mit sogenannten Web 2.0 Aktivitäten füllen würde, käme ich zu nichts anderem mehr. Bloggen, auf Facebook und MySpace stöbern, Profile aktualisieren, Bekannte bei den Lokalisten grüßen, bei Wer kennt Wen mal gucken, ob vielleicht xy dort ein Profil hat, ein paar Fotos zu flickr schicken, Nachrichten beantworten, Xing-Kontakte knüpfen, schnell was bei youtube hochladen, News lesen und zwischendurch Twitter, Plurk, Identica.

Mal ehrlich, wir sind in diesem globalen Dorf zu Dorfdeppen mutiert, die von A nach B rennen, währenddessen an C denken und bei D landen. Es kann einem schwindelig werden.

Web 2.0 ist letzlich Arbeit und ich bin von Natur aus faul. Und abgesehen davon bin ich schon im wahren Leben nicht der Typ, der haufenweise „Feunde“ um sich scharen muß, um sich bedeutungsvoll zu fühlen. Ich bin noch nicht mal teamfähig, geschweige denn ein Gruppenfuzzi. Deshalb habe ich die Schnauze voll und steige aus. Facebook, MySpace, Plurk und Identica-Accounts sind gelöscht. (Soweit möglich. Es ist durchaus nicht leicht, die Web 2.0-Spuren zu verwischen.) Twitter stresst mich nach drei Minuten und ist somit ebenfalls zum Sterben verurteilt. Und was sonst noch so eintrudelt („Bliblablu hat Ihnen eine Nachricht bei den Lokalisten hinterlassen“), wird Stück für Stück ausgelöscht. (Man vergißt ja auch schnell, wo man noch so webzwonullt.)

Und ich genieße ein Stück wiedergewonnene Freiheit.

Veröffentlicht von

Katjalyse

Ich heiße Katja. Oder so ähnlich. Seit 2008 wohne ich in Hamburg. Ich blogge seit 2005, also schon ein paar Tage länger und unter verschiedenen Pseudonymen. Aktuell geht es (wieder einmal) hauptsächlich ums Abnehmen.

10 Gedanken zu „Entwebzwonullt“

  1. Also ich komme irgendwie gar nicht in die Versuchung, mich überall zu vernetzen, obwohl ich noch jünger bin als Du (nehme ich mal an, zumindest arbeite ich noch nicht und lese erst recht keine Bewerbungen), aber mir geht das auch gewaltig auf den Zeiger. Studivz und Blog reichen voll aus, um hin und wieder mal zu nem Rundum-Schlag auszuholen…

  2. Ich bin ja nun ein „alter Sack“[TM] und nebenbei das, was man wohl für gewöhnlich als Freak bezeichnet. Aber gerade das „Alter“ macht, dass ich sehr genau aufpasse, welche Daten/Informationen ich von mir öffentlich preisgebe.

    Plurk: Probiert – Zeitdiebstahl. VIEL zuviel „Rauschen“, zuwenig
    Nutzlast. Es interessiert mich nicht die Bohne, wer gerade
    was isst, oder im TV verfolgt.

    Twitter: Siehe Plurk

    Xing: Ja, weil es eine professionelle Plattform für Profis (war?) ist.
    Wenig Hintergrundrauschen und der Vorteil „im Kontakt“
    zu bleiben.

    SchülerVZ,StudiVZ: Zu alt. Ich, nicht die Plattform 🙂

    Bloggen: JA. In sich abgeschlossene Inhalte, Kurzgeschichten oder -kritiken. Geschichten aus dem Leben und der Welt: Lesen und von mir geben. Dinge, die Bestand haben oder als Tagebuch geeignet sind. Aber auch hier sortiere ich gnadenlos und passe auf, dass ich nicht an einem Input-Overflow zugrunde gehe.

  3. Ich hab mich bisher auch erfolgreich gegen den meisten Mist gesträubt. Gut, die Bloggerei, aber selbst da schreib ich ja nur sporadisch.

    Gut, MySpace für die Band muss mittlerweile sein. Ist auch schöner und einfacher, als Songs zum anhören auf der eigenen Homepage anzubieten. Spart auch Webspace… 😉

    Aber sonst? Ich will gar nicht, dass mich jeder kennt.

  4. @Biedl

    Ganz zurückziehen muss ja gar nicht sein.

    Vergleiche es mit einem Buffet. Dort hast Du – wenn es gut ist – auch eine grosse Auswahl in mehr als ausreichender Menge. Aber muss man alles essen? Muss man alles AUFessen?

    NEIN; denn sonst platzt man 🙂

  5. Irgendwie scheinen Sie etwas falsch gemacht zu haben. Ich bin z.B. bei Mysapce, MeinVZ, Xing und Twitter angemeldet, nutze alles aber nur nach Bedarf, Lust und Laune.

    Wer mir wichtig ist hat meine Telefonnr. und ruft mich an. 😉

    Wer sich durchs Web 2.0 stressen lässt versteht was falsch. Es geht nicht darum überall aktiv zu sein, mir jedenfalls nicht.

  6. @ Xephir

    Ja, so sollte es sein. Wenn ich aber teilweise schon Artikel bei Spon lese über den digitalen Selbstmord und dass das schon ein komsiches Gefühl ist, wenn man sich bei studivz löscht, dann muss man schon mal fragen dürfen, ob das alles noch normal ist.

  7. „Digitaler Selbstmord“… meine Güte. Denen fällt auch wirklich überhaupt nichts mehr ein. Xing ist bei mir übrigens der nächste Dienst, der sterben wird: Kein ersichtlicher Nutzwert für meine Branche außer virtuellem Schwanzvergleich, „Networking“ funktioniert meines erachtens sowieso niemals über so eine Plattform. Als nicht-Zahler quasi witzlos.

    Tatsächlich spricht ja nichtmal mehr einer in Instant Messengern mit mir, geschweige denn per Telefon.

    Es wird richtig viel kommuniziert, ey. Alle beschäftigt.

    (oder ich stinke.)

  8. @thearcadier: Naja, für StudiVZ bin ich jedenfalls zu alt. Das kam auf, lange nachdem ich studierte… Eine zeitlang fand ich das sogar schade, da man doch viele Leute aus den Augen verliert, mit denen man Abitur gemacht oder studiert hat. Andererseits: Warum hat man die Leute aus den Augen verloren?

    Die wirklichen Freunde bleiben einem auch so erhalten, egal welche Netzwerke es gibt. 🙂

    @biedl: Der Gedanke kommt einem schon. Aber so ganz, ich glaube das schafft man heutzutage gar nicht mehr.

    @Reizzentrum: Obwohl Du natürlich viiiiiel älter bist als ich, handhabe ich das auch so. Plurk/Twitter hat eine Weile Spaß gemacht, aber dann wurde es wirklich langweilig. Guten Morgen – Mahlzeit – Gute Nacht. Uäääh… Trotzdem muß ich bei Plurk immer an ein gewisses wundervolles Ritual denken (das vermutlich etliche Plurker in den Wahnsinn getrieben hat). Insofern kann ich es gar nicht sooo sehr verdammen. 🙂

    @trommelschlumpf: Ich wünsche Dir, daß es so bleibt und Du nicht, so wie ich, zu all dem sonstigen Scheiß verleitet wirst.

    @xephir: Naja, man muss nicht aktiv sein, um gestresst zu werden. Reicht doch schon, wenn ich weiß, daß da passiv meine Daten irgendwo rumdümpeln.

    @Denis: Och, Du stinkst nicht. Glaube ich jedenfalls. 😛

  9. Weiß nicht. Auf mich wirkt dieses studivz so nen bisschen wie ein Schwanzvergleich, völlig unabhängig welches Geschlecht die Nutzer da haben. Hauptsache da stehen nen paar hundert Freunde inner liste und mindestens 30 Gruppen, ansonsten hat man verkackt…

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